Berliner LINKE: »Die Basis lebt«
Andrang bei kritischer Debatte über die Wahlschlappe 2011
»Die Basis lebt!«, freute sich Thilo Urchs, Bezirkschef Mitte der Berliner LINKEN, am Samstagmorgen. Immer noch mehr Stühle wurden in den Münzenberg-Saal im »nd«-Gebäude am Franz-Mehring-Platz in Friedrichshain getragen. 220 Plätze hat der Saal offiziell, selbst die Fensterbänke waren dicht besetzt.
Als in der zweistündigen Diskussion Georg Frankl in den Saal fragte »Ist die LINKE im Moment gefährlich?«, kam ein vernehmbares »Nee!« zurück. Ein halbes Dutzend Arbeitsgruppen machte sich anschließend an Vorschläge für Veränderungen. Auf Ergebnisse wird zu warten sein, eine Projektgruppe setzt diese Arbeit fort.
Vor allem Kritiker nahmen das Wort. Sie bemängelten eine »Fokussierung auf die parlamentarische Ebene«. Beklagt wurde – wie von Lucy Redler – Verlust an Glaubwürdigkeit durch die Regierungsbeteiligung. In einem Thesenpapier war sogar von Niedergang und »existenzieller Bedrohung der Organisation« die Rede.
Gern sähe mancher, die Partei würde »radikal anders«, mehr junge Leute und mehr Bezirksvertreter kämen in den Landesvorstand. Etwas Neid auf »inhaltlich armselige«, aber »neu und unverbraucht« wirkende Piraten wurde deutlich.
Im Gegensatz zu diesen schwinden der LINKEN weithin nicht nur Wähler, sondern auch Mitglieder – in Berlin von 9105 im Jahre 2007 auf 8325 im Jahre 2011.
Mehr als den Landesverband hatte Landesvorsitzender Klaus Lederer bei seiner Anmerkung im Blick, die LINKE insgesamt stehe eben »nicht so da, wie wir es uns wünschen«. Fraktionschef Udo Wolf verwies auf eine »dramatische Situation für unsere Partei«. Trotz eines Oskar Lafontaine, der im Saarland keinen Fehler gemacht habe, seien auch dort von der LINKEN fünf Prozent verloren worden.
Die Linkspartei hat nicht nur zu wenig junge Genossen, sondern auch noch Probleme mit ihnen. So meinte die 32-jährige Martina Beyer aus Marzahn-Hellersdorf, solche wie sie seien für manche alten Genossen nur die »jungen Radikalinskis, die sowieso keine Ahnung haben«. Das wäre dann Teil einer politischen Kultur, die gebessert werden soll. Ein Redner beklagte, Kritik werde »halb abgebügelt«. Stimmungen und Meinungen der Basis wollte Ellen Brombacher »stärker reflektiert und eine Führungsgröße« werden sehen.
»Wir machen ernst«, versicherte die Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak. Sie warb für das Genossenschafts-Projekt der Linkspartei »Fair wohnen«. Überhaupt war es wohl am spannendsten, wenn es konkret wurde – etwa bei Problemen von Menschen mit Minijob, die nicht einmal ihre Miete zahlen können und bei der LINKEN auf Hilfe hoffen.
Beschlüsse fasst eine Basiskonferenz nicht, sie solle aber »Grundlage und Inspiration für Entscheidungen« sein, kündigte Lederer an.
Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser*innen und Autor*innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen
Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.