Arbeitsdruck macht krank

LINKE fragte Bundesregierung nach Zahlen und Fakten psychischer Störungen

  • Lesedauer: 3 Min.
Immer mehr Menschen in Deutschland können wegen psychischer Erkrankungen nicht mehr zur Arbeit gehen. Wurden 2001 bundesweit noch 33,6 Millionen solcher Arbeitsunfähigkeitstage registriert, waren es 2010 schon 53,5 Millionen, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der LINKEN hervorgeht.

Ständig erreichbar über das Smartphone, befristete Arbeitsverträge, schneller und effizienter arbeiten: Der Druck auf die Arbeitnehmer wächst. Immer mehr Beschäftigte können ihn nicht mehr aushalten - die Anzahl der Fehltage wegen psychischer Erkrankungen ist drastisch gestiegen, wie aus der Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der Linksparteifraktion hervorgeht. Der Anteil an allen Arbeitsunfähigkeitstagen kletterte nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums von 6,6 auf 13,1 Prozent. Als Gründe für den Anstieg werden steigende Anforderungen und erhöhte Eigenverantwortung genannt, aber auch der flexiblere Einsatz und Unterbrechungen bei den Beschäftigungsverhältnissen. Viele Leiharbeiter arbeiteten unter Rahmenbedingungen, die die Gesundheit negativ beeinflussen. Zur Unzufriedenheit im Job komme ein schlechterer Zugang zu Gesundheitsförderungsmaßnahmen.

Die Anzahl der Menschen, die aufgrund psychischer Erkrankungen in eine Erwerbsminderungsrente einstiegen, hat sich den Regierungsangaben zufolge bei Männern von 19 000 im Jahr 2000 auf knapp 31 700 im Jahr 2010 erhöht. Das entspricht einem Anstieg um 66 Prozent. Bei den Frauen ist das Plus noch drastischer: Hier stieg die Anzahl von knapp 20 000 auf 39 000, was einem Anstieg um knapp 97 Prozent entspricht.

Das Bundesarbeitsministerium erklärte in der Stellungnahme zwar, es gebe keinen Bedarf an rechtlichen Maßnahmen. Es gelte zunächst, den Wissens- und Kenntnisstand zu verbreitern, hieß es in dem Papier. Gleichwohl kündigte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) an, sich des Problems anzunehmen. Es solle Grenzwerte geben, um die Belastung zu messen, sagte die Ministerin am Montagabend in der ARD. Den Unternehmen sollten Instrumente gegeben werden, um eine Lösung zu erreichen. Die meisten Arbeitgeber wollten etwas ändern, wüssten nur nicht wie.

»Burnout wird zur neuen Volkskrankheit«, erklärte LINKE-Abgeordnete Jutta Krellmann. Die Bundesregierung müsse »schnellstmöglich« tätig werden. Zum einen müsse Stress bei der Arbeit wirksam reduziert werden, zum anderen müssten prekäre Beschäftigungsformen wie Leiharbeit und befristete Arbeit eingedämmt werden. Die Grünen-Arbeitnehmerexpertin Beate Müller-Gemmeke warf der Regierung vor, die Entwicklung bei den psychischen Erkrankungen am Arbeitsplatz zu ignorieren. »Fakt ist, dass immer mehr Beschäftigte unter einem steigenden Arbeitsdruck und zunehmender Arbeitsverdichtung leiden«, erklärte die Bundestagsabgeordnete. »Das erschwert insbesondere älteren Beschäftigten ein längeres Arbeiten.« Aber es verursache auch volkswirtschaftliche Kosten in Milliardenhöhe.

Agenturen/nd

Psychische Krankheiten

Psychische Erkrankungen - viele Wissenschaftler sprechen von Störung statt von Erkrankung - treten in vielen Formen auf, u.a. als Depression, Schizophrenie und Burnout. Neben psychischen und körperlichen Gründen können traumatische Erfahrungen bedeutend sein. Die Fachwelt unterscheidet unter anderem zwischen organischen, wahnhaften, affektiven und neurotischen Störungen. Die Diagnose ist mitunter schwierig. Viele Betroffene verschweigen ihr Leiden lange, weil sie Angst vor den Reaktionen anderer haben. Obwohl über Burnout - Synonym für seelische und körperliche Erschöpfung - inzwischen viel gesprochen wird, werden psychische Störungen oft negativer wahrgenommen als körperliche Beschwerden. dpa/nd

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