Verlorene Paradiese

Frank Beyer wäre 80

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 2 Min.

Frank Beyer (Foto: dpa/Link) war einer der großen DEFA-Regisseure. Sein »Jakob der Lügner« wurde als einziger DDR-Film für einen Oscar nominiert. Und »Spur der Steine« - nach dem Roman von Erik Neutsch - erwarb sich den Ruf des anarchischsten Streifens, der Babelsberg je verließ, und der doch nicht ankommen durfte: Beyer geriet zum Protagonisten einer beschämenden Verbotserfahrung.

Die Filme Beyers sind wunderbare Liebeserklärungen an Schauspieler. Erwin Geschonnecks Kalle in »Karbid und Sauerampfer«: diese schöne Unverschämtheit, sich im Leben wohlzufühlen; diese Lust, sich listig durchzuschlagen durch wirre Zeiten. Jutta Hoffmann und Manfred Krug im »Versteck«, die Hoffmann und Armin Müller-Stahl in der »Geschlossenen Gesellschaft«: wie Menschen doch ihre Gewissheits-Tonart verlieren, oder: wie sie es verlernen, einander noch wie Sorglose zu berühren. Vlastimil Brodský als »Jakob der Lügner«: ein herzergreifender Gutmensch im Ghetto, ein Gesicht, in dem wohl noch nie etwas Unrechtes sich eingrub.

Dann Ulrich Mühe und Rolf Ludwig in »Nikolaikirche«: friedliche Revolution - schön anzusehen, wie Angst aus Gesichtern weicht und Befreitheit die Züge aufhellt. Der Pippig des Fred Delmare in »Nackt unter Wölfen«: Warum so viel Heiterkeit im Grauen? Damit es weh tut, damit wir unvergesslich zornig bleiben. Sylvester Groth in »Der Aufenthalt«: So sieht ein Mensch aus, der erschüttert im Schicksal steht, (unschuldig) büßen zu müssen - und der gerettet hinaustritt in die Aufgabe, sich fortan zuständig zu fühlen.

Die Frühe des Filmwerks (etwa »Königskinder«): expressiv und gleichnisbemüht. Die Meisterschaft dann (bis hin zu TV-Filmen wie »Ende der Unschuld « oder »Hauptmann von Köpenick«): ein weises Gefühl für jene Tiefe, die immer zu etwas Unbegrenzten Beziehung hat. In den besten Filmen Beyers sind die Bilder ganz das irdische Leben und träumen doch von verlorenen Paradiesen.

Die Nachwende-Courage: Lieber verfilmte Beyer Uwe Johnsons »Jahrestage « nicht, als unzulässige Kompromisse mit der Produktionsgesellschaft zu machen. Nichts war undenkbar in der neuen Zeit, aber nicht alles macht man deshalb mit.

Am heutigen Samstag wäre Frank Beyer, der 2006 starb, 80 Jahre alt geworden.

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