Grenzüberschreitung im Kalten Krieg

Eine Ausstellung in Berlin erinnert an die Solidarität mit dem ANC in der DDR und der BRD

  • Hans-Georg Schleicher
  • Lesedauer: 3 Min.
Es ist immer noch nicht selbstverständlich, dass politische und soziale Entwicklungen in der BRD und der DDR sachlich vergleichend untersucht und bewertet werden. Eine Ausstellung des August Bebel Instituts (ABI) in Berlin anlässlich 100 Jahre ANC hat es gewagt: »Solidaritäten über Grenzen. Anti-Apartheid-Kampagnen in der BRD und DDR«.
Klaus Staeck und ANC-Aktivist Eric Singh in der Ausstellung
Klaus Staeck und ANC-Aktivist Eric Singh in der Ausstellung

Im Berliner Wedding werden bewegte Zeiten der Solidarität mit dem kämpfenden Südafrika wieder lebendig. Die von jungen Leuten gestaltete Ausstellung postuliert, dass diese Solidarität Grenzen überschritt. Bei allen durch konträre Gesellschaftssysteme und Kalten Krieg bedingten Unterschieden leisteten die »Solidaritäten« in Ost und West ihren Beitrag in der internationalen Anti-Apartheidbewegung. In der DDR wurde die Solidarität weitgehend zentral gesteuert und organisiert und basierte auf sozialistischer Ideologie und Antirassismus. Das fand durchaus Resonanz und Engagement in der Bevölkerung. Die Solidarität in der BRD wurde vor allem von Graswurzel-Organisationen getragen. Sie richtete sich auch gegen die Politik des eigenen Staates gegenüber Südafrika. Die Anti-Apartheid-Kräfte verstanden sich als Gegenöffentlichkeit zur politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Rassistenregime.

Fotos, Grafiken und vor allem die für die Solidaritätsbewegung so wichtigen Plakate, darunter zahlreiche aus Beständen des Solidaritätsdienst-international e.V., lassen diese Zeit wieder lebendig werden.

Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste und selbst Grafikdesigner, unterstrich bei der Ausstellungseröffnung das politische Engagement von Künstlern gegen die Apartheid. Auch eines seiner Poster erinnert daran.

Die Exponate, begleitet von sparsamen, aber aussagekräftigen Texten und Interviews, würdigen die Geschichte der Anti-Apartheid-Kampagnen in BRD und DDR kritisch. Hörstationen und Karteien ermöglichen es, das Thema zu vertiefen. Die eindrucksvolle Exposition zeichnet ein differenziertes Geschichtsbild. Sie zeigt aber auch, wie schwierig der Vergleich ist und warum es damals wenig Zusammenarbeit zwischen Ost und West gab. Der Kalte Krieg war omnipräsent.

Die Schau umreißt Anlässe, Formen und Ziele von Solidaritätskampagnen. Auch damalige Konflikte werden aufgegriffen, so die Frage: Darf ein bewaffneter Kampf unterstützt werden? Letztlich war die internationale Anti-Apartheid-Solidarität erfolgreich. Wohl auch deshalb, weil Südafrikas Befreiungsbewegung mit dem ANC eine historisch gewachsene Führungskraft besaß, die sich noch heute auf eine tief verwurzelte Loyalität vieler Südafrikaner stützen kann. Befreiungskampf und Widerstand in Südafrika selbst waren das Entscheidende für die Überwindung der Apartheid, deren Krise wurde jedoch durch internationale Solidarität und Sanktionen beschleunigt.

In der heutigen Informationsgesellschaft, wo Menschenrechtsverletzungen nicht selten einseitig angeprangert werden, macht die Ausstellung deutlich: Apartheid war ein System, das die Verletzung der Menschenrechte institutionalisierte. Sie war international geächtet und wurde doch vielfach geduldet oder sogar unterstützt. Auch in dieser Hinsicht geht es gegen das Vergessen.

Die Dokumentation ist Teil des umfangreichen Programms »Solidaritäten über Grenzen«, das in diesen Wochen von der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem ABI angeboten wird. Diskussionen, Führungen und Filme tragen auch aktuellen sozialen Problemen und politischen Auseinandersetzungen in Südafrika Rechnung. Zur Thematik »Anti-Apartheid-Kampagnen in der BRD und der DDR« lädt das August Bebel Institut zu zwei Vorträgen und Diskussionen mit ost- und westdeutschen sowie südafrikanischen Vertretern über Anti-Apartheid-Aktivitäten in beiden deutschen Staaten (am 31. Mai und 14. Juni; jeweils 18 Uhr) ein.

August Bebel Institut, Müllerstr. 163, 13353 Berlin-Wedding; die Ausstellung ist nachmittags geöffnet, bis 22. Juni.

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