Das Taumelkäferrätsel - woher, wohin?

GARTENTIERE: Nur vier bis acht Millimeter groß, aber glänzende Schwimmer und raffinierte Räuber

  • Prof. Dr. Ulrich Sedlag, Zoologe
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie in den vergangenen Jahren waren auch in diesem Herbst die Taumel- oder Kreiselkäfer wieder da. Woher sie wohl kommen, wo sie wohl bleiben?

In der Regel geben sie auf dem Gartenteich nur ein kurzes Gastspiel. Es sind höchst bemerkenswerte, vier bis acht Millimeter messende Käfer, die einzigen, die an (nicht auf!) der Wasseroberfläche leben. Obwohl sie schwarz sind, wirken sie im Sonnschein glänzend und eher metallisch blau. Zwei Besonderheiten sieht man schon aus der Ferne: Sie sind - für Käfer ganz ungewöhnlich - gesellig, indem sie kleine Herden bilden. Und wie sie schwimmen! Rastlos und nie geradeaus, sondern in Kurven oder Kreisen, ohne dass es trotz relativ hoher Geschwindigkeit dabei zu Zusammenstößen kommt.

Ihr bootsförmiger Körper wird von abgeflachten Mittel- und Hinterbeinen angetrieben, die beim Rückschlag noch durch zu Ruderblättchen umgebildete Borsten verbreitert werden. Werden die Beine mit voran gehender Schmalseite nach vorn geschwungen, legen sich die Ruderblättchen an, so dass sie nur noch einem Bruchteil des Widerstandes ausgesetzt sind. Und dabei sollen die Hinterbeine pro Sekunde tatsächlich 50 bis 60 Ruderschläge vollführen. Das klingt kaum glaubhaft, aber ohne großen apparativen Aufwand wäre es nicht nachprüfbar und man liest es bei mehreren namhaften Autoren. Im übrigen sind die Taumelkäfer auch gute Flieger. Bei näherer Betrachtung fällt eine weitere Besonderheit auf: Taumelkäfer haben vier Augen, genauer: ihre Augen sind zweigeteilt. Eins der Teilaugenpaare blickt ins Wasser, das andere in die Luft. Letzteres soll einen toten Winkel haben, so dass die Käfer für das Aufspüren von Beutetieren auf ihren Erschütterungssinn angewiesen sind, dessen Organ im zweiten Antennenglied liegt. Es ist so sensibel, dass die Käfer es sogar erfassen, wenn die von ihnen erzeugten Wellen auf ein Beuteobjekt treffen.

Es gibt über 800 Taumelkäferarten, in Mitteleuropa sind es zwölf. Manche davon leben auch in langsam fließenden Flüssen und Bächen. Als Räuber ernähren sie sich von an der Wasseroberfläche lebenden oder dort verunglückten Insekten. Sie können aber auch tauchend Beute machen. Einige Arten jagen nachts. Die schlanken Larven sind ebenfalls Räuber. Sie tragen an den Hinterleibssegmenten Tracheenkiemen, die es ihnen ermöglichen, ständig am Grund des Gewässers zu leben.

Ich hatte die Hoffnung, aus der Ferne eine Gruppe der bemerkenswerten Käfer wenigstens als leuchtende Pünktchen aufs Bild zu bekommen. Am Vormittag des 22. März erkundete ich zunächst die Möglichkeit dafür, am Nachmittag wollte ich mir genügend Zeit für einige Aufnahmen lassen. Doch während bei der Probe noch rege getaumelt wurde, gab es am frühen Nachmittag nur noch einen einzigen Taumelkäfer auf meinem Teich, wenig später war auch dieser verschwunden. Das Gastspiel war nach einer ganzen Reihe von Tagen plötzlich zu Ende. Wie mögen die Käfer wohl den gemeinsamen Abflug verabredet haben?

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