Leseprobe

Die Abtrünnigen

  • Lesedauer: 2 Min.

»Wer in der Jugend kein Kommunist war, hat kein Herz, wer es im Alter noch ist, kein Hirn.« Dieser sowohl George Bernard Shaw wie Winston Churchill zugeschriebene Ausspruch, er könnte das programmatische Ziel des politischen »Renegatentums« sein, um das sich die folgenden Seiten drehen. Auch die zahlreichen Variationen, die dieses geflügelte Wort erfahren hat, deuten in die Richtung. So hat etwa der Friedensnobelpreisträger und ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt diese Aussage an die eigene Biografie angepasst und ganz in den Dienst seiner Partei gestellt: »Wer in der Jugend kein Kommunist war, wird nie ein anständiger Sozialdemokrat!« Eine andere Variante lautet: »Wer in der Jugend kein Kommunist war, aus dem wird nie ein anständiger Konservativer.«

Links gestartet, weiter rechts gelandet. In diesem Buch geht es um Männer und Frauen, die den Bruch mit der Linken vollzogen haben ... Aus welchen Motiven wenden sich Linke vom Kommunismus und Sozialismus ab? Und welche biografischen Konsequenzen, welche politischen Neuverortungen sind das Resultat dieser Abkehr? Die Gründe für den Bruch mit dem Sozialismus oder Kommunismus sind stets individuell, und doch liegt die Vermutung nahe, dass sich in unterschiedlichen historischen Epochen immer wieder neue Muster des politischen Renegatentums entwickeln ...

Viele der hier versammelten Autoren haben sich aufgrund der denunziatorischen Aufladung des Begriffs stets dagegen verwahrt, als Renegat bezeichnet zu werden. Im Verlaufe der Geschichte der DDR trat der Begriff des Renegaten allerdings zunehmend in den Hintergrund, verlor an brandmarkender Kraft und wurde allmählich durch »Dissident« ersetzt ... Der Schriftsteller Gerhard Zwerenz unterscheidet zwischen dem Renegaten, ein Begriff, den er positiv besetzt, und dem Konvertiten, der einfach in das gegnerische Lager überläuft.

Aus dem Vorwort von Marco Carini zu seinem Buch »Die Achse der Abtrünnigen. Über den Bruch mit der Linken« (Rotbuch, 256 S., br., 14,95 €).

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