Militäreinsatz nicht ausgeschlossen

Die Grünen wollen die »Schutzverantwortung« in internationalen Konflikten weiterentwickeln

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Grünen haben einen Antrag in den Bundestag eingebracht, wonach die von den meisten UN-Staaten anerkannte Responsibility to Protect (»Schutzverantwortung«) weiterentwickelt werden soll. Ein Aspekt dieses Konzepts ist militärisches Eingreifen zum »Schutz von Menschenrechten«.

Dass sich die Bundesregierung im vergangenen Jahr bei der UN-Abstimmung über eine Intervention der NATO in Libyen enthalten hat, haben viele Politiker der Grünen nie so recht nachvollziehen können. »Die Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrates war ein großer Fortschritt, weil in Bengasi ein Massaker an der Zivilbevölkerung drohte. Bei ähnlichen Fällen ist ansonsten das Nichthandeln des Sicherheitsrates die Regel«, sagte die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Kerstin Müller, gestern bei einer internationalen Konferenz mit Bundestagsabgeordneten, Politikwissenschaftlern und Völkerrechtlern im Paul-Löbe-Haus des Bundestages. Deutschland habe hierzu eine »historische Fehlentscheidung« getroffen.

Sollten die Grünen bald wieder an der Regierung beteiligt sein, wollen sie die sogenannte Schutzverantwortung bei internationalen Konflikten weiterentwickeln. Hierzu existiert inzwischen auch ein Antrag der Fraktion. Die Grünen betonen, gemäß der im Jahr 2005 in der UN-Generalversammlung beschlossenen Responsibility to Protect zunächst präventiv handeln zu wollen. Die Partei will sich für eine gerechtere Handelspolitik und Armutskämpfung einsetzen, ohne bei diesen Punkten konkret zu werden. Im Fall eines anhaltenden Bürgerkrieges wie derzeit in Syrien seien dagegen schärfere Maßnahmen notwendig. »Wir brauchen dort eine starke UN-Mission. Außerdem muss Assad weiter isoliert werden«, forderte Tom Koenigs, Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses im Bundestag. Sanktionen seien bisher nur langsam und zögerlich durchgesetzt worden, monierte der Grünen-Politiker. Russland und China hatten einseitige Sanktionen immer wieder abgelehnt. Die Grünen sind der Ansicht, dass die beiden Staaten die illegitime »Überdehnung« des Libyen-Mandats durch die NATO als Luftwaffe der Rebellen, nun »zum Vorwand nehmen, um eine Verurteilung des syrischen Regimes im Sicherheitsrat zu blockieren«.

Auch Kerstin Müller war der Ansicht, dass in Syrien »das Spektrum von Möglichkeiten vor einer militärischen Intervention noch nicht ausgeschöpft wurde«. In letzter Konsequenz wollte sie auch einen Einsatz von internationalen Kampftruppen nicht ausschließen. Dies sei auch eine Lehre aus der Tatenlosigkeit der Vereinten Nationen bei den Verbrechen in Srebrenica und Ruanda.

Noch weiter gingen einige von den Grünen geladene Gäste wie etwa der Rechtsphilosoph Reinhard Merkel und der Politikwissenschaftler Thorsten Benner, die auch Militäreinsätze ohne ein Mandat des UN-Sicherheitsrates in Erwägung zogen, obwohl solche Kriege eindeutig völkerrechtswidrig sind. Merkel hatte sich als Kritiker des Libyen-Krieges einen Namen gemacht. Dort sei es eher um einen Regimesturz als um Schutz der Zivilbevölkerung gegangen. Grundsätzlich bezeichnete er sich selbst aber als einen Befürworter der »Schutzverantwortung« zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen.

Fraglich bleibt, welche Rolle die Bundeswehr bei den außenpolitischen Überlegungen der Grünen spielen wird. Fraktionschef Jürgen Trittin mahnte an, dass »die Bundeswehrreform uns Grenzen der Handlungsfähigkeit aufzeigt«.

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