Die Herrschaft der Diener

Operation »Rennsteig«: Geheimdienste tiefer in rechtsextremistische Szene verstrickt

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Die deutschen Geheimdienste haben die militante Neonaziszene im Südosten intensiver beobachtet als bislang bekannt war. Nun flog die Operation »Rennsteig« auf, die bislang sogar vor den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen geheim gehalten wurde.

Jetzt erklärt sich einiges: Nachdem die beiden männlichen Mitglieder der sogenannten Zwickauer Zelle nach einem Banküberfall tot in ihrem Camper aufgefunden worden waren, wuselten auf Schritt und Tritt Geheimdienstler durchs Thüringer Ermittlungsfeld. Dass Leute vom Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Interesse zeigten, war noch erklärlich. Doch dass umgehend Agenten vom Bundesnachrichtendienst (BND), vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in Köln und sogar die ansonsten wahrlich nicht ausgeschlafenen Typen vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) den ermittelnden Polizisten auf den Füßen standen und ihnen jegliche Äußerung untersagten, bot denn doch Gegenstand zu Spekulationen.

Dank eines Geheimpapiers, das der Journalist Andreas Förster nun »an Land gezogen« hat, ist eine Teilerklärung für das nachrichtendienstliche Interesse möglich. Es heißt Operation »Rennsteig«. Die Geheimdienste waren danach viel dichter am rechtsextremistischen Thüringer Heimatschutz und dem späteren »Nationalsozialistischen Widerstand« - und damit an den untergetauchten Terroristen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe - dran, als bislang zugegeben. Das BfV hatte mit dem Erfurter Landesamt und dem MAD zwischen 1997 und 2003 zeitweise mindestens zehn V-Leute in der rechtsmilitanten Szene. Bislang hatten die Thüringer Geheimdienstler gerade einmal die zwei zugeben, die durch Medienrecherchen schon vor Jahren aufgeflogen waren.

Doch genau lässt sich das wohl zumindest den Akten des Verfassungsschutzes nach nicht mehr klären. Aus einem geheimen Schreiben an den jetzt ermittelnden Generalbundesanwalt vom Dezember 2011 geht hervor, dass das für Rechtsextremismus zuständige BfV-Referat Akten aus den Jahren 1997 bis 2001 vernichtet hat, da sie »dienstlich nicht mehr notwendig waren«. Sieben dieser Fallakten hätten die Operation »Rennsteig« betroffen.

Mit keinem Wort wurde die Operation »Rennsteig« gegenüber dem Thüringer Ermittlungsbeauftragten Gerhard Schäfer erwähnt, nicht ein Hinweis findet sich in dessen - wie man bisher meinte - gründlich recherchiertem Bericht.

Und was kann der MAD beisteuern? Bislang liegt noch nicht eine der vom Untersuchungsausschuss des Bundestages angeforderte Fallakte vor. Den Agenten von Admiral Karl-Heinz Brüsselbach, dem MAD-Präsidenten, ist es noch besser als den Verfassungsschützern von Kollegen Heinz Fromm gelungen, abzutauchen. Die Herrschaft der Staatsdiener scheint perfekt.

Die Innenexpertin der Thüringer Linksfraktion, Martina Renner, ist - gelinde gesagt - höchst verärgert. Da sie auch stellvertretende Untersuchungsausschussvorsitzende ist, will sie herausfinden, ob die Geheimdienste möglicherweise sogar »eine steuernde Funktion in der Neonaziorganisation ausgeübt haben«. Ihr Vertrauen in den Aufklärungswillen der Behörden ist noch weiter gesunken. Daher regt sie an, vor der Vernehmung der LfV-Mitarbeiter im Ausschuss »eine Aktenvorlage aus dem Landesamt zu erzwingen. Dies kann notfalls durch Beschlagnahme nach Paragraf 23 des Untersuchungsausschussgesetzes erfolgen«.

Vermutlich wird man nicht einmal mehr Spesenabrechnungen finden.

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