Zwischen Sanierung, Neubau und Leerstand

Auch Thüringen fährt den sozialen Wohnungsbau zurück

  • Anke Engelmann, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.
Liebevoll sanierte Fachwerkhäuser neben Leerstand und Verfall prägen in Thüringen viele Innenstädte. Wohnungen sind fast überall ausreichend vorhanden. Doch weil es keine Arbeit gibt, ziehen die Menschen weg.

In Thüringen werden immer weniger Sozialwohnungen gebaut. Das ist auch nicht nötig, denn vielerorts stehen unzählige Bruchbuden leer und warten auf eine Sanierung. Zunehmend setzt die Landesregierung den Schwerpunkt der sozialen Wohnraumförderung auf die Modernisierung und Instandsetzung von Mietwohnungen. Dabei darf der Förderanteil nicht als Modernisierungskosten umgelegt werden und die Wohnungen müssen an einkommensschwache Mieter mit Wohnberechtigungsschein (WBS) vergeben werden.

2009 wurden 69 789 Sozialwohnungen modernisiert, 10 590 neu errichtet und zudem 10 892 Eigenheime gefördert, so dass 91 271 Wohnungen zweck- bzw. belegungsgebunden waren, antwortete 2010 die Thüringer Landesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linkspartei. Demnach ist allein von 2005 bis 2009 die Zahl der neu errichteten sozialen Mietwohnungen um 2223 gesunken. Für den Neubau von Sozialwohnungen sieht die Landesregierung wenig Bedarf: 100 pro Jahr können bis 2013 gebaut werden, die Hälfte davon beansprucht Jena für sich. Insgesamt stehen von 2011 bis 2013 für die Sicherung und Neuschaffung von Mietwohnungen 30 Millionen Euro zur Verfügung - zwei Drittel davon für Modernisierungen. Unklar ist, wie es nach 2013 weitergeht.

Fast überall ist die Belegungsbindung auf Eis gelegt und kann bei Bedarf kurzfristig aktiviert werden. Nur in Jena braucht man einen WBS, um eine der etwa 2000 geförderten Wohnungen zu ergattern. Hier übersteigt die Nachfrage das Angebot - und zwar in allen Preissegmenten. Und hier steht landesweit mit 1,5 Prozent auch am wenigsten leer. Die Mietpreise sind thüringenweit die höchsten, die Einkommen überwiegend gering. Laut Mietspiegel liegt die Basismiete bei 4,40 Euro netto kalt pro Quadratmeter für Miniwohnungen, dazu kommen Aufschläge für Ausstattung und Wohnlage. 2009 verfügten in der Studentenstadt 15 000 Haushalte (25 Prozent) über weniger als 900 Euro netto monatlich und 11 000 Haushalte (19 Prozent) hatten weniger als 1300 Euro zur Verfügung.

Auch in Erfurt und Weimar muss man nach günstigen Wohnungen länger suchen. In allen drei Städten wird die Nachfrage auch demnächst kaum sinken, prognostiziert der erste Wohnungsmarktbericht Thüringen, den das Bauministerium im Februar 2012 herausgab. Leer steht in diesen Wachstumsregionen nur wenig. Anders in so genannten demografischen Schrumpfungsgebieten: Laut Bericht liegt die Leerstandsquote im Saale-Orla-Kreis und im Landkreis Altenburger Land bei 16 und in Gera bei 13 Prozent. Indes kritisierte nach einem Bericht der »Thüringer Allgemeinen« der Bauindustrieverband Hessen-Thüringen den Rückgang der Baugenehmigungen für Neubauten. Geschäftsführer Burkhard Siebert bezeichnete die Entwicklung als »sehr bedenklich«.

Nicht hohe Grundmieten oder Wohnungsmangel seien das Problem, sondern geringe Einkommen und die oft hohen Nebenkosten, erläutert Frank Warnecke, Landesgeschäftsführer des Mieterbundes Thüringen. Zudem kritisiert er die Richtlinie, nach der die ALG-II-Ämter die Kosten der Unterkunft übernehmen - in Erfurt liegt die Grenze bei 4,70 Euro. Der Einfluss auf den Wohnungsmarkt sei »verheerend«: »Unter 4,70 Euro muss man in Erfurt nicht mehr vermieten.«

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