Freibrief für die Autoindustrie

Mit Hilfe von Biokraftstoffen können deutsche Hersteller strengere Klimaschutzauflagen umfahren

Deutsche Autohersteller setzen noch immer auf sehr viel Sprit schluckende PS-Boliden, auch wenn sich VW, BMW & Co. gerne mit umweltfreundlicher Technik brüsten. Von Brüssel möchte man sich nicht hereinreden lassen.

Noch vor wenigen Jahren galt Biosprit als umweltfreundlicher Ersatz für Erdöl, das knapp und teuer ist, abhängig macht von Importen aus unsicheren Weltregionen und dessen Verbrennung stark zum Klimawandel beiträgt. Der Anbau von Energiepflanzen bescherte auch den Landwirten einen weiteren Einkommenszweig.

Bei der Einführung des Treibstoffs E10 ging es allerdings weniger um die hehren Argumente der Befürworter als um schnöde Lobbyinteressen. Der Startschuss fiel im Jahr 2008, als die EU-Kommission endlich ernst machen und die europäischen Autohersteller dazu verpflichten wollte, verbrauchsärmere Pkw zu produzieren. Gestritten hatte man darüber schon seit Mitte der 90er Jahre, doch die Industrie konnte mit freiwilligen Selbstverpflichtungen (die nie eingehalten wurden) Zeit schinden. Nun aber plante Brüssel einen ab 2012 geltenden gesetzlichen CO2-Grenzwert von 120 Gramm pro Kilometer für Neuwagen - der EU-weite Durchschnitt lag damals bei rund 158 Gramm. Insbesondere die deutsche Regierung in Gestalt des damaligen SPD-Umweltministers Sigmar Gabriel, aber auch von Kanzlerin Angela Merkel persönlich schoss massiv dagegen. Man betätigte sich als Interessenvertreter der deutschen Autokonzerne: Diese sind bekanntlich vor allem im Mittel- und Oberklassesegment breit aufgestellt, bringen immer schwerere und stärker motorisierte Wagen auf den Markt, weshalb sie größere Probleme mit Grenzwerten haben als die Konkurrenz aus Italien und Frankreich. In den Verhandlungen konnte Berlin eine gestaffelte Einführung des Grenzwertes und einen Bonus von 10 Gramm herausschlagen, der durch zusätzliche Maßnahmen wie den Einsatz von Biokraftstoffen erreicht werden kann. Um letzteres zu schaffen, muss aber mehr Ethanol in den Tank. Diesem Zweck dient die gesetzliche Biokraftstoffquote für die Mineralölindustrie von 6,25 Prozent. Eine Möglichkeit, diese Vorgabe zu erfüllen, war im Frühjahr 2011 die Einführung des Super-Sprits E10, dem zehn Prozent Ethanol beigemischt sind.

Dieses fixe Quotensystem ist für Martin Hofstetter, Agrarexperte bei Greenpeace, das Hauptproblem. Er spricht in diesem Zusammenhang von einem »Freibrief für die Autoindustrie«. Es sei die »unsinnigste« Variante, nachwachsende Rohstoffe in den Tank zu packen, sagte er gegenüber »nd«. Um die Klimaziele zu erreichen, drängen Umweltverbände seit Jahren darauf, den motorisierten Individualverkehr zu begrenzen und die Autokonzerne zur Abrüstung ihrer Neuwagenflotte zu bringen. Greenpeace hat gerade erst dem VW-Konzern erklärt, wie er den neuen Golf 7 zum Drei-Liter-Auto machen könnte.

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