Kapitaldeckung war der falsche Weg

DGB-nahes Institut fordert Stärkung der gesetzlichen Rente

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.
Wer wirklich etwas gegen Altersarmut tun will, muss laut einer neuen Studie das gesetzliche Rentenniveau deutlich anheben und niedrige Renten mit Steuermitteln aufstocken.

Nur mit einer deutlichen Anhebung des gesetzlichen Rentenniveaus und einer ergänzenden steuerfinanzierten Aufstockung niedriger Altersbezüge lässt sich Altersarmut künftig wirksam verhindern. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der DGB-nahen Hans-Böckler-Stiftung, die am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Umfangreiche Untersuchungen würden mittlerweile belegen, dass kapitalgedeckte Versorgungssysteme, darunter auch die staatlich geförderte Riester-Rente, keinen nennenswerten Beitrag zur Vermeidung von Altersarmut leisten können. »Hohe Kosten, magere Renditen und erhebliche Risiken bei der Kapitaldeckung gehen zu Lasten von Millionen Menschen, die darauf hoffen, das im Zuge der Reformen deutlich abgesenkte Niveau der gesetzlichen Rente durch Vorsorgesparen ausgleichen zu können. Doch nach allem, was wir heute absehen können, wird das nur relativ wenigen gelingen. Noch schlechter wird es für all jene aussehen, die sich eine zusätzliche Absicherung gar nicht leisten können«, so Gustav A. Horn, der wissenschaftliche Direktor des IMK. Die Forscher regen an, das gesetzliche Rentensystem wieder zu einer Lebensstandardsicherung auszubauen. Besonders bei der Altersabsicherung von Niedriglöhnern und Beschäftigten mit Beitragslücken sei Deutschland im Vergleich mit den anderen Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mittlerweile Schlusslicht, so Horn.

Die Zahlen sind in der Tat alarmierend. Wer ein Erwerbseinkommen von 75 Prozent des Durchschnittsverdienstes von derzeit 30 900 Euro brutto pro Jahr erzielt, braucht im Jahr 2030 als Neurentner 43,5 Beitragsjahre, um auf das Niveau der staatlichen Grundsicherung zu kommen. Nach derzeitigem Stand ist davon auszugehen, dass zum Beispiel 50 Prozent der ostdeutschen Männer der Geburtsjahrgänge 1956 bis 1965 aufgrund diskontinuierlicher Erwerbsverläufe bei Erreichen des Rentenalters ergänzende Sozialhilfe beantragen müssen.

Horn sieht daher »umfassenden Reformbedarf« für das umlagefinanzierte Rentensystem. Jene vier Prozent des Bruttoeinkommens, die nach den Vorstellungen der Politik für private Vorsorge aufgewendet werden sollen und entsprechend steuerlich gefördert werden, wären im System der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) wesentlich besser und vor allem solidarischer angelegt. Entsprechende Beitragserhöhungen müssten dann wieder von den Arbeitgebern mitfinanziert werden. Da ein umfassender Systemwechsel durch Einbeziehung aller Einkommensarten in die GRV und Abschaffung von Sonderversorgungssystemen etwa für Beamte aufgrund der langfristigen Übergangsregelungen nicht sofort greifen würde, gelte es zunächst, das bestehende System zu stabilisieren.

Als Zielmarke gab Horn dabei den OECD-Durchschnitt an. So liegt die sogenannte Bruttoersatzrate - also das Verhältnis zwischen Rentenansprüchen und Bruttoverdienst - bei verrenteten Durchschnittsverdienern in Deutschland bei lediglich 42 Prozent, im OECD-Mittel dagegen bei 57 Prozent. Und neben einer steuerfinanzierten Mindestsicherung sind für langjährig Versicherte auch systemimmanente Wege zur Vermeidung von Altersmut denkbar. Zum Beispiel durch Wiedereinführung der 1992 abgeschafften Mindestentgeltpunkte für Geringverdiener.

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