Der Mazda-Händler Thomas Koch
Gestartet und - angekommen
Von 1986 bis 1990 studierte Thomas Koch an der Hochschule für Ökonomie. Allerdings im Fernstudium, denn seine Arbeit, die er 1984 als Exportkaufmann aufnahm, hat ihm großen Spaß gemacht. Für die Sowjetunion war er dort verantwortlich, für den Verkauf von Hydraulikerzeugnissen des Kombinates Örsta. »Damals hatte ick von Hydraulik keene Ahnung, jetzt keene von Autos. Insofern passt det.« Thomas fühlte sich, seit er die Schule verließ, auf der Suche. Jetzt fühlt er sich »angekommen«.
Russland war für die DDR »SW« - Sozialistisches Wirtschaftsgebiet. Das hat er bis 1988 bearbeitet. In den zwei Jahren, die bis 1990 noch blieben, avancierte er dann zum Bearbeiter »NSW« - Nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet. 14 Länder hat er betreut. Aber in den Westen kam er erst kurz vor dem Mauerfall. Da ist er »ins Grübeln geraten«. Er hatte vorher nie richtig über die Mauer nachgedacht. Diskutiert darüber oft, zum Beispiel mit finnischen Außenhändlern über Nazis in Westdeutschland. Extra nach Sachsenhausen hat er sie einmal »gekarrt«. Obwohl das für einen guten Abschluss nicht unbedingt nötig war. Auf seiner ersten Dienstreise 1989 nach Algerien hat er sich die Frage gestellt: »Warum haben sie uns bloß nicht reisen lassen?« Jeder, der da war, war doch glücklich, wieder zurück zu sein in der DDR. »Da demonstrierten dort ein paar Mitarbeiter mit einem aus Pappe gebastelten Galgen und Namensschildern vor dem Büro des Betriebsdirektors, mit dem ich gerade zu Verhandlungen verabredet war. Ich hab gemacht, dass ich schnell wieder wegkam«.
Koch ist kein Hasardeur. Der drahtige, eher bedacht formulierende Mann überlegt lieber einmal mehr als weniger. Aber wenn, dann richtig. Als Allererstes nach der Wende hat sich Thomas mit seinen Freunden einen ollen VW-Transporter auf Pump gekauft, noch vor der Währungsunion, und nach seiner regulären Arbeit abends Umzüge angeboten, treppauf, treppab, den ganzen Service eben, hat sich auch schon mal belächeln lassen für dieses prompte »Ärmelhochkrempeln und Selber-was-Machen«. Und dann hat er sich ziemlich schnell selbstständig gemacht. Gemeinsam mit fünf anderen Außenhändlern von Technokommerz hat er damals einfach die Papiere auf den Tisch gelegt, vulgo gekündigt, fünf Kerle und ein Weib. Alle sind sie heute noch im Kontakt, um nicht zu sagen, freundschaftlich miteinander verbunden.
Aber zurück zu 1990. Zwei GmbH haben sie gegründet. Eine Handels- und eine Transportgesellschaft. Frei nach dem Motto: »Was passiert? Was wird gebraucht? Womit kann man Geld verdienen?« Autos hieß das Zauberwort. Ein 40-Tonner Volvo wurde gebraucht gekauft. Aus dem Stand eine Autovermietung aufgezogen (mit fünf Autos) und ein Taxi-Geschäft gegründet - alles mit geborgtem Geld. Nach der Währungsunion ging es dann ziemlich schnell. Autos wurden gekauft und wieder verkauft, zwei Plätze angemietet und 1992 ein weiterer an der Marzahner Chaussee gepachtet. Da haben sie »erstmal ein Jahr in EG-Importe gemacht«. Ein nackter Schotterplatz, ein Zäunchen drum, ein paar blau-silberne Alu-Wimpelketten, ein Container - wie an so vielen Orten in Wild-Ost. Mehr schlecht als recht - bis zum 20. November 1993.
Der Glückstag im Leben von Thomas Koch
Das war sein »Mazda-Start«, den er mit Lutz Betzin, der heute sein Mitgesellschafter und Prokurist ist, und mit Uwe Graß, heute auch Geschäftsführer, hingekriegt hat. Wie er auf Mazda gekommen ist? »Ein Japaner sollte es schon sein, und Mazda war der einzige, der offen war.« Offen war heißt, in Marzahn noch nicht vertreten. Woran misst man den Erfolg eines Autohändlers? Ganz einfach: an der Neuwagen-Verkaufszahl. 1994 waren das immerhin schon 150. 1995, da war der Container schon längst durch ein Zelt ergänzt, eröffneten Koch und seine Freunde ihr neues Gebäude, welches heute immer noch Stammhaus ist und an welches schon drei Mal angebaut wurde. Aber auch das ist längst viel zu klein geworden. Jüngst haben sie einen Mietvertrag unterschrieben für ein Grundstück gleich gegenüber, um ihre »Marzahn-Präsenz« weiter zu erhöhen.
Sieben Filialen der Mazda-Koch-Gruppe gibt es mittlerweile in Berlin-Brandenburg und sieben »angeschlossene Partner«. Geplant für die nächsten zwei Jahre ist eine weitere Filiale in Berlin-Mitte und die Ankoppelung von weiteren vier Partnern. Koch ist in der Gruppe, die nach ihm heißt, für Strategie verantwortlich. Und das, obwohl er nie eine Verkaufsschulung besucht hat und sich mit dem Computer erst vor ein paar Jahren »anfreundete«. Mittlerweile ist er Arbeitgeber für 160 Mitarbeiter, deren Zahl in den nächsten Jahren auf über 200 anwachsen soll.
Ans Scheitern denkt Koch nicht mehr. Er ist der Stratege. Der Rechner. Und ein gemochter Chef. Ein betriebseigenes Abrechnungssystem, welches in allen 14 Filialen angewandt wird, ist in der Koch-Gruppe selbst entwickelt worden. Tagesaktuelle Zahlen gehören dazu, verkürzte Reaktionszeit und jede Menge »Kundendienst«. Der für Thomas Koch wirklich »Dienst am Kunden« ist. Seine Verkäufer sind auch wirkliche Verkäufer und keine »Warenaufpasser«. »Da bin ich wohl geprägt worden vom Außenhandel, da haben wir auch nie um 16 Uhr Feierabend gemacht, wenn wir unser Produkt verkaufen wollten.«
Die Neuwagen-Verkaufszahl für 2003 liegt inzwischen bei 1800. Dazu kommen an die 1600 Gebrauchtwagen. Für das Jahr 2005 plant Thomas Koch »über Markenwelten hinaus« den Verkauf von 3500 neuen und 2500 gebrauchten Autos und käme somit auf einen konsolidierten Umsatz von 100 Millionen Euro. Die Landespolizeiverwaltung gehört auch schon zu seinen Kunden.
Koch sponsert gerne. Union zum Beispiel. Eisern Union. Oder City, die Rockband. Von einer Unmenge von Kleinsponsoring gar nicht zu reden, wie zum Beispiel von einem Nachwuchsband-Wettbewerb, gemeinsam veranstaltet mit Uwe Klett, dem PDS-Bürgermeister von Marzahn-Hellersdorf, auch ein studierter Ökonom. Oder von der Unterstützung der Musikarbeit am Karlshorster Coppi-Gymnasium. Auch bei der Fahrradtour von Joey Kelley von Berlin nach Irak, die grade erst in dieser Woche gestartet ist, wollte Koch dabei sein. Weil ihn die Idee faszinierte, Extremsport mit einem humanitären Anliegen zu verbinden.
»Alles aus eigener Kraft, nicht gecastet«
Wie sieht so ein Sponsoring aus? Ganz einfach, es ist die Koppelung Geld-Autos.Kochs Rechnung ist einfach: Seine Maßeinheit sind verkaufte Autos. City spielt nach wie vor vor vielen Leuten, die Joey Kelley Extremsportveranstaltung wurde von vielen Journalisten begleitet. Publikum auch für den Sponsor, der mehr Autos an den Mann bringt. Aber er will nur Sachen sponsern, die ihm »privat auch aufn Leib geschnitten« sind.
Dabei hat er, zumindest seit er 14 ist, in keinem Fußballverein gekickt, und er hat auch noch nie eine Band gegründet, geschweige denn in einer gespielt oder gesungen. Da kommt der Berliner Dialekt durch. »Ick bin unmusikalisch wiet nur jeht, aber doch irjendwie seelenverwandt, zum Beispiel mit City.« Gerade erst haben sie wieder zusammengesessen und überlegt, was sie nun verbindet, außer dass jeder der City-Musiker schon über ein Jahr ein auffällig beschriftetes Auto der Koch-Gruppe »testet« und auf den Hemdkragen von City, wenn sie zu offiziellen Terminen gehen, der Firmenname Koch dezent eingestickt ist. »Alles aus eigener Kraft. Ich glaube, das ist es, was uns eint. Sie haben sich aus eigener Kraft hochgespielt und sind immer noch da, und auch wir haben hier aus eigener Kraft das geschafft, was wir jetzt haben. Wir sind kein Kunstprodukt. Wir sind nicht gecastet.«
Geschäftsleute reden gerne von »Kommunikation und Teamfähigkeit«. Aber wenn Thomas Koch davon redet, in seiner gemütlichen amerikanischen Küche, am Kamin, der noch ein bisschen qualmt beim Anheizen - »da muss wohl der Kaminbauer noch mal ran« -, dann ahnt man, dass das auch mehr als Schlagworte sein können. »Ich habe mir für jeden Zeit genommen, jedem zugehört, und nicht nur, weil ich ein Auto verkaufen wollte, sondern auch, weil ich in jedem Gespräch etwas dazugelernt habe. Wenn du das nicht machst, dann gehts dir ganz schnell wie dem in "The Green Mile", du hörst noch irgendwo zu, aber duAls Chef ist Thomas Koch schon seit 1995 nicht mehr im Verkauf. Von seinen 160 Mitarbeitern sind ca. ein Drittel Verkäufer, 80 Prozent sind Quereinsteiger. Auch zwei Schulfreunde und Studienkollegen aus Fachschulzeiten verdienen bei ihm mittlerweile gutes Geld. bist leer.«
Wie schafft es jemand, so erfolgreich zu werden? »Wichtiger als der Außenhandel, abgesehen davon, wie man die Nächte richtig verbringt, war für mich Allgemeinwissen. Das habe ich in der DDR lernen und studieren dürfen.« Zum Beispiel, wie der jetzige Staat gestrickt ist, in dem Koch nun erfolgreich handelt und wandelt. Die politische Ökonomie des Kapitalismus hat er als Außenwirtschaftler exzellent studieren können und: »Siehe da, es stimmt. Das, was Marx über dieses System analytisch geschrieben hat, das ist ja so wahr.«
Globalisierung zum Beispiel, das heißt doch nichts anderes, als Konzentration des Kapitals. Das haben wir alles schon zu DDR-Zeiten gut studiert. Schnell zu vergessen für Koch war das, was er über die politische Ökonomie des eigenen Systems gelernt hat. Koch denkt allerdings nur strategisch, wenn es auf den Job ankommt. Er ist ein klassischer Mittelständler. Sein Zahlenverständnis wäre auch bei anderen Arbeiten möglich. Aber aus dem Handel will er sich eigentlich nicht verabschieden. Das hat er gelernt, das kann er, da hat er Erfolg. Koch ist mittlerweile der größte Mazda-Händler nicht nur Ost-Deutschlands, sondern der gesamten Bundesrepublik. Er gewinnt regelmäßig Preisausschreibungen und hat mit Mazda schon die halbe Welt bereist. Seine Eltern und sein Kompagnon sind grade aus Mauritius gelandet. Mazda-Reise. Auch im Mutterland Mazdas, in Japan, war er vor zwei Jahren gewesen, auf der Tokioter Motor-Show - natürlich auf Einladung von Mazda. Mazda gehört mittlerweile zu einem Drittel der Ford-Motor-Company. Die ist der größte Autoproduzent und die viertgrößte Firma der Welt. Ford-Präsident Jack Nasser - und da beginnen Kochs Augen zu leuchten - hat einen »Präsidentenzirkel« gegründet. 150 Händler weltweit werden regelmäßig zu Meetings eingeladen. Davon ganze drei Mazda-Händler aus Europa. Thomas Koch ist einer von ihnen. Das ist für ihn ein direkter Draht von der »Geschäftsleitung bis an die Front«.
»Links ist da, wo das Herz schlägt«
Thomas Koch, das ist die Front. Vorne. Ich frage ihn: »Da sind Sie ja dann der einzige Sozialist in diesem Zirkel der 150?« Bin schon ganz gespannt darauf, wie Koch mir erklärt, dass er nicht mehr ganz Sozialist ist. Doch was sagt er? »Nicht ganz, da ist neben mir noch einer. Ein Ford-Händler.«
Auf jeden Fall schlägt Kochs Herz weiter links, »Kunststück, wenn du 28 Jahre links gedacht, gefühlt, gearbeitet und gelebt hast«. Auf der anderen Seite sieht er das Scheitern des Systems DDR. Das Scheitern am »Menschen«, wie Koch sagt. »Weil ich denke, dass wir nicht in der Lage waren, uns selbst zu opfern, unsere Ideale auch innerlich umzusetzen.«
Angekommen in dieser Wirtschaft, in diesem System, ist Koch also auch froh, die zweite Seite des Lebens erleben zu dürfen, die für ihn »besser auf den Menschen zugeschnitten« ist. Dieses »Scheitern an sich selbst« gibt Koch nach wie vor zu denken, macht ihm aber nicht mehr sonderlich zu schaffen. »Wenn du in der Arbeitswelt um dich schaust, siehst du, politische Systeme können funktionieren. Und bei allem, was im Moment schräg läuft: Deutschland gehört in der Welt immer noch zu den gerechteren Systemen.« Am Freitag steigt die große Fete zum 10-jährigen Jubiläum. 2000 (zahlende!) Gäste, Musik von City bis zu Tony Marshall, eine Pressekonferenz, weil das auch dazugehört, die Coppi-Schule singt noch mal, die Politik aus der Stadt und aus dem Stadtbezirk ist eingeladen und vor allem viele zufriedene, bis jetzt, und etliche potenzielle Kunden, die vielleicht irgend eines der Rabatt-Angebote annehmen.
Ach ja, eine heimliche Leidenschaft hat er: eine Harley Davidson. Jetzt, im Spätherbst, steht sie allerdings gut eingepackt vor seinem Haus in Biesdorf-Marzahn und wartet mit ihm auf den neuen Frühling.
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