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  • Kultur
  • Vor 85 Jahren geboren - der Dichter Louis Fürnberg

Er sang das Lied von der Partei, die immer recht hat

  • HORST HAASE
  • Lesedauer: 4 Min.

Louis Fürnberg war in den letzten Jahren einer der am häufigsten zitierten Dichter. Allerdings nur mit einem Gedicht, ja mit einer Zeile desselben. Es handelt sich um den Vers, in dem es heißt, daß die Partei immer recht hat, woran sich anschaulich jene ideologische Alleinbestimmung demonstrieren läßt, wie sie von den stalinistischen Parteien vertreten und praktiziert wurde. Kein Zufall übrigens, daß dabei von dem weiteren Gang des Textes fast nirgends die Rede ist. Geht es doch da auch um den Kampf für „Freiheit und Frieden“ der „Ärmsten der Erde“ Auch der individuelle Duktus, der sich den Versen, nimmt man sie denn als solche, durchaus mitteilt, bleibt unberücksichtigt. Immerhin entstand das Gedicht in einer Lebensphase, in der Fürnberg als Jude, Intellektueller und Immigrant in westlichen Ländern verdächtigt - selbst vom Mißtrauen der Kontrollkommissionen verfolgt und bald darauf von seiner Funktion im diplomatischen Dienst der kommunistischen Tschechoslowakei abberufen wurde,

weshalb er den wahren Inhalt und Sinn seiner bewußten Lebensentscheidung durch dieses Bekenntnis-Gedicht nachdrücklich unterstrich.

Kein Zweifel jedoch, daß der Text auch in früheren Zeiten zumeist verkürzt rezipiert worden ist und sich dogmatische Rechthaberei darin bestätigt fühlte. So oft aber heutzutage besagte Passage angeführt wird, der Name des Dichters findet dabei kaum jemals Erwähnung. Und das hat Fürnberg nicht verdient. Sein Leben und seine Dichtung können sehr wohl Aufmerksamkeit beanspruchen. In ihnen sind wichtige Erfahrungen unseres Jahrhunderts vermittelt, und zwar sowohl in ihren Erkenntnissen wie auch in den Irrtümern, in der Trefflichkeit poetischer Formulierungen wie in der aufgesetzten Pathetik manchen Verses.

Fürnberg wurde im mährischen Iglau geboren und wuchs in bürgerlichen Verhältnissen auf. Sein politischer Weg war vor allem ethisch motiviert. In seiner poetischen Biographie „Der Bruder Na-

menlos“ (1947) wird die blutige Niederschlagung einer Demonstration gegen Hunger und Arbeitslosigkeit als Lebensdrehpunkt des Helden dargestellt. Solche Erlebnisse haben den kunstsinnigen jungen Menschen beeinflußt und an die politische Aktion herangeführt. Als Mitglied der KPC war Fürnberg im Nordböhmischen während der 30er Jahre ein wirkungsvoller Agitator, dessen Verse und Lieder (u. a. „Du hast ja ein Ziel vor den Augen“) weite Verbreitung fanden und den Henlein-Faschisten ein Dorn im Auge waren. Nach der Okkupation der Tschechoslowakei erlitt er in deutschen Zuchthäusern schwere Hörschäden, entkam jedoch 1940, indes die meisten Mitglieder seiner Familie dem Holocaust zum Opfer fielen. 1941 bis 1946 war Fürnberg im Exil in Palästina.

Seine Entwicklung als Dichter ist unmittelbar von diesen Erlebnissen geprägt. Der leidenschaftliche Anhänger Rilkes, den er 1926 in der Schweiz besuchte, Verehrer auch der Lasker-Schüler, die

er in Jerusalem mit zu Grabe trug, wird bald zu einem politisch stark engagierten Poeten, der allerdings diese seine Ausgangspositionen nicht verleumdete. Kaum ein anderer Dichter vermochte die Spannweite von der lyrischen Moderne hin zu einer weltanschaulich und ästhetisch fest eingebundenen Kunstausübung so bewußt auszumessen wie Fürnberg. Auf einen biederen sozialistischen Realismus ist dieser Dichter deshalb nicht festzulegen. Vielmehr stellt er sich den Konflikten und Ansprüchen der Epoche, die er in weiträumigen Poemen und Zyklen wie auch in einer betont individuellen Erlebnisdichtung auszuschreiten sucht. Seine oftmals freiwillige Verpflichtung auf die Aufgabe des Tages jedoch begrenzt auch seinen Horizont, und seine Neigung zur Übereinstimmung, zu einer konsequenten, aber teilweise auch naiven Bejahung des einmal für richtig Angesehenen lassen ihn nicht selten dort allzu glatt und überaus optimistisch erscheinen, wo rauhe Härte und kritische

Befragung der Umstände angebracht gewesen wären.

Seine besten Leistungen erwuchsen aus der frühzeitigen Begegnung mit der tschechischen Poesie. Besonders die Musikalität seiner Verse, ihre Bildhaftigkeit, die Verschmelzung philosophischer Intentionen mit gelegentlich fast sentimentaler Innigkeit des Gefühls haben hier ihre Wurzeln. „Der tschechische Dichter stutzt seiner Seele nicht die Flügel“, schrieb er in den Vorbemerkungen zu seiner Sammlung von Nachdichtungen „Aus Böhmens Hain und Flur“ (1954). Bei aller Verbundenheit mit dem Lande seiner Herkunft blieb ihm als deutschsprachigem Autor aber dennoch die Nachkriegs-Tschechoslowakei fremd. Er siedelte deshalb 1954 in die DDR über, wo er als Dichter und Kulturpolitiker ein neues Wirkungsfeld fand und manchem jungen Schriftsteller Freund und Ratgeber, aber auch unnachsichtiger Kritiker war.

Als ihm 1957 in Weimar das Herz brach, war dieser frühe Tod nicht nur der Erschöpfung

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