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Matti Nykänen verpfändete seine Goldmedaillen

Finnlands bankrottes Skisprung-Idol ruft zur Spendenaktion auf und verspricht: „Ich werde mein Leben ändern“

  • Lesedauer: 3 Min.

Der große Matti Nykänen ist am Ende. Das Comeback als Skispringer gescheitert, die Sängerkarriere ein Flop, die Goldmedaillen verpfändet zehn Jahre nach dem olympischen „Schanzenduell der Giganten“ im bosnischen Sarajevo, bei dem Nykänen und der Oberwiesenthaler Jens Weißflog mit jeweils einmal Gold und einmal Silber ihre Regentschaft in der internationalen Skispringerzunft begannen, steht der nunmehr 31 jährige Finne vor dem finanziellen Ruin.

Schuld an allem, so sagt der ewig jungenhafte Draufgänger mit dem Milchgesicht, seien windige Geschäftsleute gewe-

sen, mit deren Hilfe emm Vorjahr einen Comeback-Versuch gestartet hatte. Nykänen, damals schon pleite, verpfändete mangels Masse seine vier olympischen Goldmedaillen, die er 1984 und 1988 (in Calgary gewann er auf dem Höhepunkt seiner Karriere beide Einzelkonkurrenzen und mit Finnland den Mannschaftswettbewerb) geholt hatte, als Sicherheit.

Das Comeback allerdings scheiterte kläglich. Bei nationalen Konkurrenzen kam der im neuzeitlichen V-Stil gänzlich ungeübte Weltstar über einige peinliche Auftritte nicht hinaus. Und als selbst sein Versuch scheiterte, bei den Olym-

pischen Spielen in Lillehammer als Vorspringer ein paar werbeträchtige Mark zu verdienen, war der Absturz perfekt.

Während Nykänen untertauchte, verhökerten seine ehemaligen Geschäftspartner für umgerechnet 100 000 Mark die Goldmedaillen an die Illustrierte „HYMY“, die sich fortan als Retter der Nykänen-Medaillen für das skisprungverrückte finnische Volk gerierte.

Nun sollen die Plaketten des Volkshelden, dessen Schicksal die Nation bestürzt, an das nationale Sportmuseum weiterveräußert werden. Nykänen selbst rief in einer Fernsehshow seine Fans zu Spenden

auf. 70 000 Mark würden ausreichen, um das Edelmetall abzulösen. Die werden, da sind sich Nykänen und die „HYMY“-Leute einig, schnell zusammenkommen.

Nykänen, dessen Karriere 1981 in Schonach mit dem Gewinn des Junioren-Weltmeistertitels begonnen hatte und dessen 46 Weltcupsiege unangetasteter Rekord sind (zum Vergleich: Weißflog hat 29), profitiert von der Aktion nicht. Er hat keine Ahnung, wie er den von ihm selbst angehäuften Schuldenberg abtragen soll.

„Ich werde mein Leben ändern“, erklärte er via TV Nach zahllosen Alkoholeskapaden

und Eheskandalen, die nebst der gescheiterten Popsänger-Karriere sein Millionenvermögen verschlangen, glaubt dem Schwiegermuttertyp mit dem treuen Blick niemand mehr. Trotz neuer Freundin und angeblich sittsamen Lebenswandels im nordfinnischen Oulu.

Seine Ankündigung, er wolle es als Trainer probieren, am liebsten mit dem Nachwuchs arbeiten, klingt angesichts der menschlichen Tragödie wie ein Appell. Das Idol, das in seinem Leben bislang nichts auch nur annähernd so gut konnte wie das Fliegen von Sprungschanzen, bittet um eine neue, vielleicht allerletzte Chance.

PETER STRACKE, sid

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