Der Hotzenblitz ist vorerst nur ein „Zweitwagen
44 Seit dem Oktober 1994 läuft das Elektroauto aus dem Schwabenland im thüringischen Suhl vom Band
Der Hotzenblitz - noch als Ausstellungsmodell
Foto:dpa
Von HEIDI HASSE
In der Bundesrepublik ist er der erste, der mit einem serienmäßigen, konsequent von der Batterie her entwickelten deutschen Elektroauto auf den Markt kommt. Thomas Albiez, südbadischer Elektromeister, produziert seit Oktober im thüringischen Suhl den Hotzenblitz. „Hotzenblitz, das kommt vom Hotzenwald, der schönsten Region im südlichen Schwarzwald. Der Blitz steht bei uns für Erneuerung“, sagt Albiez hintergründig.
Fünf Jahre hat die Entwicklung des Strommobils gedauert. 1990 entstand noch im Schwarzwald der erste Prototyp. Die Zusammenarbeit mit dem Suhler Fahrzeugwerk begann 1992. Die Gesamthochschule Kassel und eine Berliner Solarfirma hatten den Schwaben auf die Fahrzeugfertigung in Suhl aufmerksam gemacht. Im März 1993 wurde dort die Hotzenblitz Thüringen GmbH gegründet. Trotz reicher Schokoladenfabrikanten als Geldgeber - Albiez brauchte eine Landesbürgschaft, die zum Anschaffen von Maschinen und Anlagen, zum Aufbau einer Vertriebsstruktur genutzt werden sollte. Im Mai 1992 wurde der Antrag das erste Mal abgelehnt. Bis August 1994 währte das Tauziehen um die Gelder. Inzwischen meldeten Baden-Württemberg, Sachsen und Niedersachsen ihr Interesse am Hotzenblitz an. Albiez drohte vorsichtshalber mit Rückzug aus Thüringen.
Nun bürgt das Land für sieben Millionen DM. Albiez garantiert dafür 60 Arbeitsplätze und den Bau von 900 bis 1 000 Autos in einem Jahr. 400 Händler wollen den Hotzenblitz verkaufen. 250 Kunden haben schon fest bestellt. 15 Zulieferer aus Thüringen und Sachsen arbeiten für das
Elektroauto. Albiez denkt ab 1996 schon an die Großserie, jährlich 15 000 Stück.
Was zeichnet den Hotzenblitz aus? Das witzige Design fällt auf. Im Leichtbau liegt sein Geheimnis. Er wiegt nur 700 Kilogramm, allein 320 Kilogramm entfallen auf die Batterien. In der ersten Variante finden zwei Personen in dem nur 2,70 Meter langen Wagen Platz. Ab 1995 folgt die viersitzige Variante. Der Hotzenblitz erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 120 Kilometern je Stunde, hat eine Reichweite zwischen 80 bis 220 Kilometern, abhängig von Batterie und Fahrstil. Für 100 Kilometer kostet der Strom etwa 2,70 DM. Der Preis des Strommobils liegt je nach
Ausführung zwischen 28 000 und 35 000 DM.
Glaubt man dem Institut für angewandte Verkehrs- und Tourismusforschung in Heilbronn, gibt es in Deutschland im Jahre 2010 ein Einsatzpotential für über 7 Millionen Elektroautos. Die Albiezsche Philosophie ist bescheidener und meint, der Einstieg geht über die Nische. Das Elektroauto ist zwar vom Produkt der typische Zweitwagen, aber vom Preis her noch zu teuer Es setzt auf Unternehmer, Apotheker, Ärzte, für die 30 000 DM nicht viel Geld sind.
Ab 1996 könnte es für gut Betuchte der Zweitwagen werden, wenn der Preis zwischen 20 000 und 25 000 DM liegt. Größere Stückzahlen (jährlich
mindestens 15 000), intelligentere Fertigung wären die Voraussetzungen dafür Telekom hat bereits Autos bestellt, eine große Marktkette und ein Lebensmittelhersteller auch. Solange der Hotzenblitz nicht in Großserie gebaut wird, kaufen ihn auch viele als Werbeträger
Albiez kennt den Vorwurf, das Elektroauto hängt ja auch nur an der Steckdose, die Emissionen werden nur an das Kraftwerk verlagert. Deshalb bietet er mit dem Auto auch Anteilscheine an regenerativer Energie an, die in Wind-, Wasser- und Sonnenkraftwerke und nachwachsende Rohstoffe investiert werden.
Große Autohersteller lassen ihre Pläne für Elektroautos
vielfach in der Schublade. „Die können nicht unter Stückzahlen von 100 000 denken“, sagt Albiez. „Für solche Stückzahlen ist der Markt noch nicht da. Die großen Automobilhersteller haben auch ganz andere Entwicklungskosten. Die stekken doch das Zwanzigfache von dem rein, was wir reinstecken konnten.“ Seine Entwicklungskosten will Albiez erst nennen, wenn die Großserie kommt. Dann würden viele staunen, wie gering die seien.
Wie war das möglich? „Weil wir in Suhl sind. Die Leute sichern sich mit Engagement Arbeitsplätze.“ Bevor sie in die Großserie einsteigen, werden sie das Auto auf Recycling untersuchen, das Material danach ausrichten. Hätte Albiez Entwicklung und Produktion im Westen genauso umsetzen können? „Nein. Die politischen Rahmenbedingungen, an erster Stelle die Fördermittel und die personellen, sind anders. Im Westen wäre das Auto von vornherein totgemacht worden. Als Kleiner unter den Großen wären wir da untergegangen. Weil hier alles im Umbruch und auf Erneuerung bedacht ist, ist die Chance größer gewesen.“
In Deutschland zwingen keine Gesetze zur Produktion schadstoffarmer Autos, deshalb muß man die Marktchancen des Hotzenblitz eher verhalten sehen. Solange Benziner zu viel Kraftstoff verbrauchen, sind Elektroautos aber eine Alternative in der Stadt und auf dem Weg zur Arbeit. Für die, die es sich leisten können, versteht sich. Albiez will gemeinsam mit der thüringischen Stadt Leutenberg ein Fremdenverkehrskonzept umsetzen, in dem Elektroautos eingesetzt werden.
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