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  • Kultur
  • „Percy Warberger“ präsentierte „seinen“ neuen Roman

Ironisches Spiel zu dritt

  • Lesedauer: 3 Min.

Die Berliner „Galerie am Savignyplatz“ scheint ein wenig zu seriös für die Performance dieses Abends. Drei Männer posieren vor Peter Schunters Bild, das drei auf dem Tisch einer Bar tanzende Frauen zeigt, die verhindern, daß die Blicke'äesVPüb'lik'üms, zu laiige auf (Jen schon leicht auseinanderlaufenden Midlife-crisis-Leibern der drei Männer verweilen. Die sind Percy Warberger. Unter diesem Pseudonym hat die „Süddeutsche Zeitung“ einen Fortsetzungsroman von Harald Eggebrecht, Sten Nadolny und Michael Winter veröffentlicht, der jetzt beim Albrecht Knaus Verlag als Buch erschienen ist: „Das große Spiel“.

Jeder der drei ist eitel. Percy Warberger kann ja auch nur einer sein. Also gilt nur das jeweils selbst Geschriebene. Notfalls werden die mühevoll aufgebauten Figuren der anderen im nächsten Kapitel wieder unter die Erde gebracht. „Am Anfang waren wir noch Freunde“, bemerkt Michael Winter bissig. „Ihr habt meine Leute alle umgebracht! Ich habe hier eine Liste!“ Nadolny ist bei einem verschmitzten Seitenblick auf seine Kollegen schnöde Häme anzumerken: „Der Tod ist die bessere Lösung, man wußte ja nicht, was der andere mit der Figur wollte.“ Ordnung ist da nicht zu halten. Die Geschichte ufert aus, aber trotz der nicht kleinen Zahl von Tötungsdelikten gelingt es immerhin ei-

nigen der Kunstfiguren, bis zum Romanende durchzuhalten. Nicht leicht bei den Mordphantasien ihrer Schöpfer.

Mit tiefem Ernst wird abwegigster Nonsens in die sich vielfach kreuzenden Handlungs-

Ende sitzen sie da und bestaunen kopfschüttelnd das zusammengestückelte Gefüge ihres Werkes, in dem es holpert und knirscht, und fliehen ins wirkliche Leben, wo es holpert und knirscht...

„^.Wann ha^t manjryetzter Zeit schon von einem $vi deutschet,. Spräche geschrföüelien mun* teren Kolportageroman gehört, einer temporeichen, heiter-ironischen und schamlosen Boulevardkomödie, die es geschafft hätte, bis in die Wohnzimmer des Bildungsbürgertums vorzudringen? Mit politisch und literarisch völlig unkorrekten Wendungen, mit Hinterlist und einem enormen Potential an Boshaftigkeit und Phantasie ist dem schadenfrohen Percy Warberger, der Spielregeln aufstellt, nur um sie wieder zu brechen, brüchige Handlungsfäden miteinander verflicht, nur um sie wieder zu zerreißen, und charakterlose Charaktere sinnlos wüten und treiben läßt, ein im besten Sinne postmoderner Roman gelungen. - Kein Wunder, daß sich nach der Lesung alle mit hoher Geschwindigkeit und offensichtlich großem Appetit auf das Büffet stürzen. Pralles, sattes Leben am Savignyplatz. Auf die drei Tänzerinnen achtet niemand mehr.

MARTIN RÖMLE1N Percy Warberger- Das große Spiel oder Im Dickicht der Begehrlichkeiten. Roman. Albrecht Knaus Verlag, Berlin, 277 S., Leinen, 39.80 DM.

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