Personelle Konsequenzen nach Desaster von Athen

Spitzen-Troika tritt zurück / DLV-Chef bleibt noch

Das überaus blamable olympische Abschneiden von Athen mit nur zwei Silbermedaillen durch Speerwerferin Steffi Nerius und Kugelstoßerin Nadine Kleinert, was die mit Abstand schlechteste Bilanz der deutschen Leichtathletik bei Olympia seit 1912 ist, hat zu ersten personellen Konsequenzen beim Deutschen Leichtathletik-Verband geführt. Nach dieser Olympiapleite zeichnet sich der umfassendste Umbruch im DLV seit Jahren ab. Der langjährige Cheftrainer Bernd Schubert, der auch letzter Chefverbandstrainer des DDR-Leichtathletik-Verbandes war, hatte schon nach dem desaströsen WM-Abschneiden (vier Medaillen) im vorigen Sommer in Paris um seine Abberufung nach Olympia gebeten - völlig unabhängig davon, wie die Olympischen Spiele enden würden. Der 59-jährige Chemnitzer, der 35 Jahre lang als Trainer - davon 26 Jahre in leitender Funktion - gearbeitet hatte und der auch Vize-Chef des LAC Chemnitz ist, will sich in Chemnitz wieder der Basisarbeit widmen. »Ich denke«, so hatte er schon vor Jahresfrist geäußert, »dass nach Athen der richtige Zeitpunkt ist, um für meinen Nachfolger den Weg frei zu machen.« Damals hatte Schubert natürlich gehofft, dass Athen eine »Wiedergutmachung« bringen und das im Herbst des letzten Jahres in Kienbaum verabschiedete »Aktionsprogramm 2004« greifen würde. Das Gegenteil ist eingetroffen. Zurückgetreten ist auch der für den Leistungssport zuständige DLV-Vizepräsident Rüdiger Nickel. Dritter im Bunde ist der im DLV für Organisation verantwortliche Horst Blattgerste, der in Pension geht. Damit schert eine komplette Troika des Hochleistungssports im DLV aus. »Wir werden einen umfassenden personellen Neuanfang machen«, reagierte der noch im Amt bleibende DLV-Präsident Clemens Prokop auf die Rücktritte. Was bei Bernd Schubert noch »planmäßig« ist, überrascht bei Rüdiger Nickel. Der 59-jährige Hanauer Anwalt ist das dienstälteste Mitglied des DLV-Präsidiums. 1990 wurde er zum ersten Anti-Doping-Beauftragten und 1993 zum Vizepräsidenten Leistungssport berufen. Aber der 59-Jährige demonstrierte eine für ihn typische konsequente Haltung: »Ich habe mich schon in Athen für einen Neuanfang stark gemacht. Unter diesen Umständen muss man auch bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. Ich bin gescheitert an einem Problem, das vielleicht gar nicht lösbar und beeinflussbar ist: das Umfeld des Athleten. Ich hoffe, dass jetzt jeder im DLV seine Konsequenzen zieht: Athlet, Heimtrainer, Bundestrainer, Funktionäre, aber auch die Manager. Jeder sollte sich fragen: Haben wir alles richtig gemacht?« Nickel steht im Ruf als ausgewiesener Fachmann, geprägt von hoher moralischen Autorität im Kampf gegen Doping. Er war auch ein von den Athleten geschätzter Partner. Prokop will »schon in den nächsten Tagen eine Lösung präsentieren«. So soll Nickels Nachfolger auf einer Sitzung der Landesverbands-Präsidenten am 18. September in Darmstadt vorgestellt werden. Eine Woche später wird er mit dem Generalsekretär und neuen Sportdirektor Frank Hensel auf der Trainertagung in der Sportschule in Kienbaum das Konzept für die Revitalisierung der deutschen Leichtathletik bis zu den Olympischen Spielen 2008 in Peking vorstellen. Das alles ist aber erst der Anfang der »personellen Aufräumarbeit«. Denn als Folge der »Manöverkritik« werden auch »einige altgediente Trainer gehen«, so Prokop. »Da werden noch weitere Wechsel vollzogen werden«, kündigte er an.

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