Einige sind gleicher: Bevorrechtigte Gläubiger in der Insolvenz

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Von dem Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger aus dem Vermögen des Schuldners gibt es zwei weit reichende Ausnahmen, die so genannte Aussonderung und die Absonderung.

Aussonderung
Das Aussonderungsrecht berechtigt den Gläubiger, einen Gegenstand vom Insolvenzverwalter heraus zu fordern. Es erfasst vor allem fremdes Eigentum, das zufällig oder auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung im Besitz des Schuldners ist. Das ist auch ohne weiteres verständlich, wenn z. B. ein Bagger einer fremden Firma versehentlich von einer Baustelle entfernt wurde und beim Schuldner landet oder der ihn zeitweise gepachtet, gemietet oder geliehen hat. Hier würde die Einbeziehung dieser Gegenstände in die Insolvenzmasse zu nicht gerechtfertigten wirtschaftlichen Verlusten beim Gläubiger führen.
Erklärbar ist daher auch die Herausgabe von Treugut an den Treugeber bei Insolvenz des Treunehmers und in einigen anderen Fällen (Grunddienstbarkeiten, Schutzrechte).
Da dem Gläubiger mit dem Aussonderungsrecht die stärkste Stellung unter allen Gläubigern eingeräumt wird, ist es allerdings auch verständlich, dass viele danach streben, ein derart insolvenzfestes Recht zu erhalten. In der Wirtschaftspraxis wird es daher als Sicherungsmittel genutzt und teilweise auch missbraucht.

Eigentumsvorbehalt
Weit verbreitet ist zunächst die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts. Sie genießt - allerdings wohl zu Unrecht - eine hohe Wertschätzung. Der Eigentumsvorbehalt berechtigt bei Insolvenz des Käufers jedoch nur zur Aussonderung, wenn sich die Sache noch unverarbeitet in dessen Besitz befindet. Da aber der Weiterverkauf oder die Verarbeitung ein üblicher Bestimmungszweck der gekauften Waren ist, hilft dieses Recht hier nicht. Allerdings erhält der Gläubiger bei einem vereinbarten erweiterten oder verlängerten Eigentumsvorbehalt ein Absonderungsrecht. Herausgabe kann er nur fordern, wenn der Verwalter von seinem Wahlrecht Gebrauch macht, den Vertrag nicht zu erfüllen (ähnlich bei Leasingverträgen). Zahlt er dagegen die vereinbarten Raten, geht das Eigentum planmäßig auf den Schuldner über.

Betriebsaufspaltung
Nahe dem Missbrauch liegt dagegen eine andere Konstruktion, die so genannte Betriebsaufspaltung. Hier wird ein Unternehmen künstlich in zwei rechtlich selbstständige Unternehmen aufgeteilt. Ein Besitzunternehmen (meist eine Person oder eine Personengesellschaft) erhält das Eigentum am Betriebsgrundstück und eventuell auch am Anlagevermögen. In einem Betriebsunternehmen (meist einer GmbH) wird dann die eigentliche wirtschaftliche Tätigkeit mit all ihren Risiken durchgeführt. Der Clou ist, dass das Besitzunternehmen das Grundstück usw. an das Betriebsunternehmen verpachtet oder vermietet und im Fall der Insolvenz des Betriebsunternehmens aussonderungsberechtigt ist.
Das ist zulässig und weit verbreitet, hat jedoch daneben oder vor allem noch vorteilhafte steuerliche Konsequenzen. Allzu offensichtlicher Missbrauch wird von den Gerichten über eine so genannte Durchgriffshaftung geahndet.
Obwohl die Aussonderungsberechtigten keine Insolvenzschuldner sind, müssen sie ihr Recht gegenüber dem Insolvenzverwalter, der hier an Stelle des Schuldners handelt, geltend machen und gegebenenfalls auch ihm gegenüber durchsetzen.

Absonderung
Eine andere Gruppe bevorrechtigter Gläubiger kann zwar nicht die Herausgabe von Sachen oder Forderungen verlangen, ist aber zur vorzugsweisen Befriedigung aus der Masse berechtigt. Dazu gehören vor allem Gläubiger, die mit dem Schuldner für ihre erbrachten Leistungen Sicherungsrechte vereinbart haben, wie z.B. Grundschulden (Kreditinstitute), Hypotheken, Sicherungseigentum, verlängerter oder erweiterter Eigentumsvorbehalt, Forderungsabtretungen (Sicherungszession, Globalzession), oder denen Vermieter- , Werkvertrags- oder prozessuale Pfandrechte oder gegebenenfalls Zurückbehaltungsrechte zustehen.
Der Insolvenzverwalter ist unter Beachtung bestimmter Vorschlags- und Mitwirkungsrechte der Gläubiger berechtigt, die mit einem Absonderungsrecht versehenen Sachen und Forderungen selbst zu verwerten. Den Erlös hat er dann an den Gläubiger heraus zu geben, allerdings unter Abzug von 9 Prozent des Erlöses und der Mehrwertsteuer, die der Masse zufließen.
Mit der Restforderung nimmt der absonderungsberechtigte Gläubiger am normalen Insolvenzverfahren teil. Er wird, da er den Erlös vor der Verwertung nicht kennt, zunächst die gesamte Forderung anmelden und gleichzeitig auf Grund seines Absonderungsrechts vorzugsweise Zahlung fordern.
Die Vereinbarung von Aussonderungs- und Absonderungsrechten ist in der Wirtschaft weit verbreitet. Sie höhlt das im Fall einer Insolvenz an die übrigen Gläubiger verteilbare Vermögen des Schuldners bereits lange vor einem Insolvenzverfahren aus. Daran ändert auch die Zahlung von maximal 9 Prozent des Erlöses - gegenüber den ursprünglich diskutierten 25Prozent - durch die absonderungsberechtigten Gläubiger an die Masse prinzipiell nichts. Das ist die eigentliche Crux der Insolvenzregelung, die die Neuregelung zwar gemildert, auf Grund der Interessenvertretung von mächtigen Gläubigergruppen aber nicht grundlegend verändert hat.

Prof. Dr. ARTHUR KÖHLER

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