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  • Kultur
  • „Undine“-Ballett von John Neumeier in der Deutschen Oper Berlin

Bestrafte Liebe

  • Lesedauer: 3 Min.

Am Bühnenhimmel zieht ein Luxusdampfer entlang. Auf dem Meeresgrund, Reich des Wassergottes, Undine, die kleine Seejungfrau, die sich hinauf in die Menschenwelt sehnt. Sie schließt mit dem Meer-Hexer einen Packt: Ihm überläßt sie ihre betörende Stimme im Tausch für zwei wohlgeformte Beine. Voraussetzung für ihr Leben auf dem Lande. Wenn es ihr jedoch nicht gelingt, die Liebe eines Menschen zu erringen, muß sie zurück ins nasse Element und als Meeresschau 111 vergehen. Undine ''taucht-auf 1 /rettef den Kapitän des Schiffes vor dem Ertrinken und verliebt sich in ihn. Der aber erwidert die Liebe nicht, wendet sich der schönen Beatrice zu. In der Menschenwelt bleibt die kleine Seejungfrau durch ihr Anderssein eine Fremde. Nur mühsam erlernt sie das Gehen. Als sie sich aus dem Rollstuhl befreit hat, muß sie erkennen, daß sie trotzdem die Liebe des Kapitäns Hans nicht erringen kann. Enttäuscht will sie ihn umbringen, schreckt jedoch vor dem tödlichen Messerstich zurück. Ins Meer zurück-kann sie nicht, ihr Schicksal: Als Schwester der Lüfte muß sie ihre Schuld künftig abarbeiten.

Hamburgs Ballettchef, John Neumeier, nahm Hans Werner Henzes 70. Geburtstag zum Anlaß, um in der Deutschen Oper dessen Undine-Ballett zu choreographieren. Allerdings schuf er ein neues Libretto nach Hans Christian Ander-

sens Märchen von der „Kleinen Seejungfrau“ Ursprünglich hatte Henze die Musik zu dem von ihm und Frederik Ashton geschaffenen Libretto auf der Grundlage der von Friedrich de la Motte-Fouque verfaßten Erzählung komponiert. Neumeier sah im Andersen-Märchen wohl eher die Möglichkeit, das Verhältnis von Schuld und Sühne zu gestalten. Er fand dafür intensive tänzerische Ausdrucksformen, zumal ihm mit Raffaella Renzi eine Tänzerin zur Verfügung stand, die.Psychischeste- Haltung und Bewegung sichtbar zu machen versteht: zwischen mädchenhafter Naivität und der Bitternis unerfüllter Liebe. Neumeier läßt sich in seiner vom japanischen No-Theater inspirierten Choreographie viel Zeit. Äußere dramatische Momente sind selten. Das Publikum soll sich wohl in die Gedankenwelt der Figuren hineinfühlen. Das geschieht nicht ohne Mühe, zumal die epische Breite der Erzählweise wenig Spannungsmomente bereithält. Manches wirkt auch zu beliebig, gefällig. Beispielsweise die Sportübungen der Matrosen oder das Gruppenbild der sich auf dem Oberdeck langweilenden High Society

Höhepunkte jedoch sind die Pas de deux. So zwischen Hans (Maximiliano Guerra) und Beatrice (Lisa Cullum). Guerra gibt den Kapitän mit sportivem Zuschnitt, ein wenig oberflächlich, glatt, wenn auch schön anzusehen. Lisa Cullum

zeichnet die Beatrice mit mädchenhaftem Charme. Daß sich der Hans in sie verliebt, erscheint natürlich. Alexandre de la Caffiniere tanzt seinen Meer-Hexer mit behender Dämonie, technisch ungemein versiert. Auch für das Corps de ballet ließ sich Neumeier choreographisch einiges einfallen. Was die Damen und Herren leider nicht immer synchron über die Rampe brachten.

Hans Werner Henze hat eine überaus sensible Ballettmusik geschrieben, die durchaus als' selbständiges 'Konzertstück beistehen kann. Mit zurückhaltenden Mitteln gelingt es ihm, Assoziationen zu erzeugen, die Welt über und unter dem Wasser zu zeichnen, die Befindlichkeit der Figuren zu charakterisieren. Nicht immer fand Neumeier dafür den adäquaten tänzerischen Ausdruck. Das Orchester der Deutschen Oper nahm sich der 1958 entstandenen Partitur unter der souveränen Leitung von Markus Lehtinen engagiert an. Zwar ist einige Zeit seit der Uraufführung ins Land gegangen, doch die Komposition wirkt frisch, auch wenn sie sich nur in bescheidenem Maße avancierter Kompositionstechniken bedient.

Yannis Kokkos schuf die zurückhaltend geschmackvolle Ausstattung. Sein Bühnenbild gestattet schnelle Ortswechsel. Das Publikum feierte Schöpfer und Akteure mit herzlichem Beifall.

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