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Von Thomas Wischnewski, Magdeburg

  • Lesedauer: 2 Min.

Die Nachricht kam überraschend. Selbst für die betroffene Staatssekretärin im Justizministerium von Sachsen-Anhalt, Ulrike Riedel. Am Montag vergangener Woche versetzte Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD) die Bündnisgrüne politische Beamtin in den einstweiligen Ruhestand. Die Chemie zwischen Ministerin Karin Schubert (SPD) und ihr stimmte nicht, so die offizielle Begründung aus der Staatskanzlei. Eine Woche vorher hatte bereits der Koalitionsausschuß der Entlassung zugestimmt. Dabei hätte es an der fachlichen Kompetenz der Politikerin keine Abstriche gegeben, aber das Vertrauensverhältnis ist entschieden gestört, erklärte Regierungssprecher Hans-Jürgen Fink.

Riedel selbst hatte sich als grüne Staatssekretärin in Hessen bereits einen Namen gemacht. Im Hintergrund bleibt die Vermutung, Justizministerin Karin Schubert selbst habe Höppner die Pistole auf die Brust gesetzt: entweder die oder ich. Nachdem Höppner schon zwei Minister verloren hatte, habe er wohl oder übel nachgeben müssen. Mit Ulrike Riedel geht die fünfte Staatssekretärin seit Höppners Regierungsantritt 1994.

Schon trifft das Zwangsausscheiden

selbst in sachsen-anhaltinischen Regierungskreisen auf harte Kritik. In der wöchentlichen Staatssekretärsrunde zum Beispiel. Innenstaatssekretär Jürgen Schneider rügt die Entlassung als eine »Nacht- und Nebelaktion« ohne Stil und Form. »Hier offenbart sich eine Personalpolitik, die so nicht mehr akzeptiert werden kann. Staatssekretäre sind kein Freiwild«, machen sich Schneider und Landwirtschaftssekretär Konrad Keller Luft.

Schneider wird in seinen Vorwürfen gegen den Ministerpräsidenten sogar noch härter Seiner Ansicht nach herrsche in der Regierung eine Atmosphäre, die nicht mehr den Vorstellungen entspräche, mit denen die Höppner-Regierung vor zwei Jahren angetreten war Als Beleg liefert er Erfahrungen aus seinem Innenressort. Fast wöchentlich würden leitende Beamte zu ihm kommen und um Rückversetzung nach Niedersachsen bitten. Schneider und Keller befürchten, daß sich die gegenwärtige Sach- und Personalpolitik der Landesregierung zum Nachteil für Sachsen-Anhalt auswirke. Da sind nämlich die Versorgungsansprüche. Entlassene Staatssekretäre kassieren fünf Jahre lang 75 Prozent ihres Gehaltes. Im Fall Riedel über 9000 DM monatlich. Auch danach gehen die Geschaßten nicht leer aus. Sie erhalten weiterhin eine lebenslange Pension vom Land, egal ob sie wieder einen Job finden oder nicht.

Schneider kann auch den kleinen bündnisgrünen Koalitionspartner bei der Entscheidung nicht verstehen. Hier hätte er mehr Rückhalt erwartet. Indes hat sich nur der grüne rechtspolitische Sprecher Mathias Weiland gemeldet und das Ausscheiden für Riedel bedauert.

Wie Ministerpräsident Reinhard Höppner auf die Staatssekretärs-Kritik reagiert, bleibt vorerst verborgen, denn eine offizielle Stellungnahme der Staatskanzlei stand bis Redaktionsschluß aus.

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