- Politik
- Tele-Tagebuch: »Der rote Schakal« (ARD)
Aus Stiller wurde Leiser
Damals, 1963, als Alfred Müller dem CIA den verschlossenen Kühlschrank mit den Aufmarschplänen zur Eroberung der DDR klaute, »For eyes only«, wollte ich partout Kundschafter werden. Das war ein Leben, im Westen und trotzdem auf der richtigen, der sozialistischen Seite, dem Vaterland dienen und auf dem Kudamm ins Kino gehen! Die Sehnsucht erhielt neuen Auftrieb, als Minchen Müller-Bindestrich hinterm »Unsichtbaren Visier« die NATO ausspähte, im Hintergrund das wunderschöne hessische Bergland, immer elegant und von schönen Frauen umgeben. - So muß es wohl auch dem jungen Physiker Werner Stiller gegangen sein, der dann seinen DDR-Jungendtraum wahrmachte, bei Mischas Mannen in der Normannenstraße anheuerte und auf den Tag X spannte, an dem er zum NSW-Einsatz kommen sollte.
Wie muß er enttäuscht gewesen sein, als sein Leben fürderhin so langweilig verlief, ohne jede Spannung, wie es uns der Fernsehfilm »Der rote Schakal« erzählt! Thomas Wittenburg hat die Memoiren des Doppelspitzels von MfS und
BND in ein Szenarium verwandelt, Hajo Gies hat es inszeniert, und aus der Glotze tropfte anderthalb Stunden lang - ekelsüßer kalter Kaffee! Das kommt davon, wenn einem zur Motivation eines Geheimdienstoffiziers, seinen Dienst zu verraten, nichts weiter einfallt als dessen unstillbare Sehnsucht, endlich in den freien Westen zu kommen! Im »wirklichen Leben« mag dies als Motiv gerade noch hinlangen, im Kintopp reicht es eben nicht. Und die DDR dadurch zu kennzeichnen, daß überall die Wände mit klassenkämpferischem Agitationspapier bepflastert sind, kann auch wohl nur ganz stumpfsinnige Rheinländer oder Schwaben das Fürchten vor dem real existierthabenden Sozialismus lehren. Kaum vorstellbar auch, daß in der Stasi-Festung in Berlin-Lichtenberg die Mitarbeiter einander stets nur drohend ins Grauauge geschaut und dazu hinterhältig »Genosse!!!« geknurrt haben. Aber das war nur die Petersilie auf der verdorbenen Suppe.
Die war schon dadurch ungenießbar, daß die Köche die fade Brühe ausschließlich mit Seelenschmerz und Liebespein gewürzt hatten. Stiller, hier hintergründig »Leiser« genannt, war in August Zirners Darstellung als Person so uninteressant, daß durch ihn auch die
Filmhandlung spannungslos ablief. Warum sein Chef ihn einmal seinen »besten Mann« nennt, blieb dessen Geheimnis. Möglich, daß der wirkliche Stiller eine solch farblose Gestalt ist, anzunehmen auch, daß die BND-Agenten im Beamtenstatus tatsächlich solch platte Stammtischtypen und die anderen MfS-Chargen solche Nußknacker waren: .für die Wirklichkeit mag das ausreichen, für einen Film ist es zu wenig! Was war doch Arminchen Müller-Detjen dagegen für ein Mordskerl!
Zudem bleibt der Film in der Handlungsführung kleinlich. Stillers wahre Bedeutung für die deutsch-deutsche Spioriagegeschichte lag doch wohl darin, welche Kreise sein Frontwechsel damals zog. Da wurde erstmals eine empfindliche Bresche in die Geheime Front der DDR-Auslandsaufklärung geschlagen, der Überläufer lieferte immerhin eine ganze Reihe DDR-Spione an den bundesdeutschen Geheimdienst aus, der bis dahin recht erfolglos vor sich hin gewurstelt hatte. Stiller, sicher, als Person war er uninteressant. Die Bewegungen, die er auslöste, waren interessant. Aber bevor ? die im Film einsetzen können, wird bei ' Wittenburg & Gies schon abjeblendt. Das Spiel in den Niederungen ist banal, hier hätte es schon der Zwischenspiele in den höheren Regionen von Staat(en) und Parteien) bedurft. So blieb es bei der Rührschnulze vom braven Mann, der rüber will und auch rüber kommt. Nein, mit diesem Film hätte mich keiner als Spion geworben!
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