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Biedenkopfs Torschlußpanik

Dem Kohl-Kritiker aus Dresden fehlen Vorzeige-Reformen im eigenen Land Sachsen Von Marcel Braumann, Dresden

  • Lesedauer: 3 Min.

Kurt Biedenkopf will in der ersten Reihe der Bundespolitik mitspielen, doch statt dessen mehren sich die Anzeichen erneuten Scheiterns eines Mannes, dessen Ideen über sein Versagen im politischen Alltag nicht hinwegtäuschen können.

In einem Zeitungskommentar zum Brief Kurt Biedenkopfs an CDU-Generalsekretär Peter Hintze, in dem der sächsische Ministerpräsident die erneute Kanzlerkandidatur Kohls als »besonderes Risiko« für die CDU bezeichnete, hieß es, Biedenkopf sei ein typischer »Adabei«. Mit diesem Wort bezeichnet die österreichische Umgangssprache Leute, die überall dabeisein wollen.

Nun wissen wir seit Bernt Engelmanns »neuem Schwarzbuch« (Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1983), daß Biedenkopf zum »Adabei« geradezu prädestiniert ist. Sein Vater Wilhelm Biedenkopf aus Chemnitz war bis zur Pensionierung ordentliches Vorstandsmitglied der zum Flick-Konzern gehörenden »Dynamit Nobel AG« in Troisdorf und laut Engelmann »ein vom >Führer< besonders belobigter und belohnter Wehrwirtschaftsführer«. Landesmutter Ingrid Biedenkopf, ge-

schiedene Kuhbier, geborene Ries, darf auf einen Vater stolz sein, der das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern erhielt. Dr Fritz Karl Ries war einst alleiniger Geschäftsführer der Flügel & Polter KG Leipzig, die von der »Arisierung« jüdischen Besitzes profitierte, und hat über die Oberschlesischen Gummiwerke Trzebinia Tausende jüdische Zwangsarbeiter, auch Frauen und Mädchen, »produktiv« genutzt. So richteten die Gummiwerke, wie im »neuen Schwarzbuch« nachzulesen, am Konzentrationslager Auschwitz eine Nebenstelle ein.

Nach dem Krieg war Ries Vorstandsvorsitzender der Pegulan-Werke AG, Frankenthal/Pfalz. Die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes soll vom früheren Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Helmut Kohl, betrieben worden sein, den Ries, damals Honorarkonsul für Marokko, auf einer Afrika-Reise mitgenommen hatte. Es ist anläßlich des gestrigen Tages der Befreiung erhellend, die familiäre Kontinuität des Dabeiseins in Deutschland Revue passieren zu lassen.

Da niemand für seine Altvorderen verantwortlich ist, auch Herr und Frau Biedenkopf nicht, kommen wir zurück zur Gegenwart. Biedenkopf, der vor seiner gescheiterten Rolle als CDU-Generalsekretär in der Geschäftsführung des Waschmittelkonzerns Henkel tätig war, hat im Grunde ein Problem: noch nicht den ihm zustehenden Rang in der Bundespolitik erreicht zu haben. Immerhin

war Biedenkopf, wie die »Welt« 1976 herausfand, geistiger Vater des damaligen CDU/CSU-Slogans bei der Bundestagswahl: »Freiheit statt Sozialismus«. Diese Parole soll bekanntlich vor der Wahl 1998 für Stimmung sorgen.

Doch Biedenkopfs Briefe nach Bonn, ob zur mangelhaften Ostförderung oder zum Risiko Kohl, zeichnen sich durch Wirkungslosigkeit aus. Mit seinen durchaus anregenden Vorschlägen für einen Umbau des Rentensystems ist der Wirtschaftsprofessor gegen eine Wand politischer Ablehnung gefahren. Trotz des maßgeblichen Beitrags der sächsischen CDU zum Wahlsieg Kohls 1994 wird der Freistaat beim Umzug von Bundeseinrichtungen vernachlässigt: Außer der Verlagerung einiger oberster Bundesgerichte wird allenthalben gebremst.

So kommt beispielsweise das Zentrum für Telekommunikation entgegen Versprechungen nicht nach Sachsen. Biedenkopfs Herrschaft ist ohnehin keine Empfehlung für Bonn: Gemeindereform

- quält sich dahin; Verwaltungsreform, Beseitigung des Fördermittel-Dschungels

- bisher Fehlanzeige; wirtschaftlicher Aufholprozeß - nahezu zum Erliegen gekommen. Die Abschaffung des überflüssigen Privilegs Ministerialzulage bzw. ersatzweiser Zahlungen soll zehn Jahre dauern, hat Biedenkopfs Kabinett gerade beschlossen. Mit' Besitzstandsabbau in den oberen Etagen hat »König Kurt« keine Eile.

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