Nicht immer haben die Erwerber von Grundstücken, die im Jahr 1990 einen Kaufvertrag abschlossen und auch den Kaufpreis bezahlten, gute Karten vor Gericht. Das beweist ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 15. Oktober 2004 (Az. V ZR 63/04), auf das Rechtsanwalt JÜRGEN NAUMANN, Berlin, den Ratgeber aufmerksam machte.
Die Kläger schlossen mit der Unterkunftsabteilung der Nationalen Volksarmee der DDR über das von ihnen damals bewohnte Hausgrundstück am 25. Juni 1990 einen privatschriftlichen Kaufvertrag zum Preise von 50550 Mark der DDR und am 12. Juli 1990 einen notariell beurkundeten Kaufvertrag zum Preise von 50550 DM ab. Den größten Teil des Betrages zahlten sie auf ein Konto der NVA. Zur Eintragung der Kläger in das Grundbuch kam es aber nicht mehr. Im Juni 1993 teilte die Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft (TLG) den Klägern mit, der Vertrag werde nicht vollzogen, weil das Grundstück der Treuhandanstalt zugefallen sei. Im Mai 1996 wurde das Grundstück an die ehemalige Eigentümerin, die Beklagte, zurückübertragen. Sie verkaufte es an Sohn und Schwiegertochter der Kläger für rund 85000 DM.
Sowohl die Beklagte als auch der Bund lehnten eine Erstattung des ersten Kaufpreises an die Kläger ab. Die Kläger sind der Meinung, dass nach Nichtzustandekommen ihres Kaufvertrages die Verpflichtung zur Rückzahlung des Kaufpreises mit der Restitution auf die Beklagte übergegangen ist. Die Beklagte lehnt das ab, sie verweist sogar auf Ansprüche auf Nutzungsentschädigung. Landgericht und Oberlandesgericht in der Berufung haben die Klagen zurückgewiesen, der Bundesgerichtshof hat auch die Revision dieser Urteile auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Der BGH bestimmte, dass sich die Beklagte nicht auf Kosten der Kläger bereichert hat, weil sie den Kaufpreis nicht erhalten hat und dieser auch nicht für ihr rückübertragenes Grundstück verwandt wurde.
Außerdem hafte die Beklagte auch nicht nach § 121 Sachenrechtsbereinigungsgesetz, danach sei die Gemeinde oder Gebietskörperschaft verpflichtet, die den Betrag erhalten habe. Das sei in diesem Fall die Bundesrepublik Deutschland. Die Einnahmen aus dem Konto, auf das die Kläger den Kaufpreis gezahlt haben, sind in den Staatshaushalt der DDR geflossen, den die BRD am 3. Oktober 1990 übernommen hat. Diese ist daher für Rückzahlungsansprüche passivlegitimiert.
So kommt der BGH in diesem Fall zu den Leitsätzen:
Ein Kaufvertrag, der weder zur Eintragung der beabsichtigten Auflassung noch zu einem Eintragungsantrag oder auch nur zur Eintragung einer Vormerkung geführt hat, steht der Restitution nach Art. 21 Einigungsvertrag (EV) nicht entgegen.
Die Rechte und Pflichten aus einem Kaufvertrag, der die Restitution nach Art. 21 EV nicht ausschließt, gehen nicht auf den Restitutionsberechtigten über.
§ 121 Abs. 6 Sachenrechtsbereinigungsgesetz ist auf den Fall entsprechend anzuwenden, dass ein Kauf nach dem Gesetz über den Verkauf volkseigener Gebäude vom 7. März 1990 (so genanntes Modrow-Gesetz) an der Restitution des Grundstücks nach Art. 21 EV scheitert.
So wurden die Kläger mehrfach zur Kasse gebeten - sie zahlten zu DDR-Zeiten den Kaufpreis, die Kinder mussten das Grundstück erneut kaufen, die Gerichtskosten treffen sie. Nutznießer sind die Alteigentümerin und der Bund.
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