- Politik
- Kontroverse Meinungen zur Strafverfolgung ehemaliger Bürger der DDR
Böse Bonner Ultras und Kabale und Liebe
Zu »Wie die DDR-Justiz mit Ausreisewilligen verfuhr« von Claus Dümde (ND vom 11. November):
Pure Willkür?« fragte Claus Dümde in seinem Beitrag über den »Prozeß gegen leitende DDR-Staatsanwälte am Landgericht Berlin«, in dem es um deren »Orientierungen« zur politischen Strafverfolgung von Personen ging, die die DDR legal verlassen wollten. Und Claus Dümde antwortete auch gleich selbst: »Jein, aber zweifellos politisches Strafrecht, wie es auch in der (Alt-)BRD praktiziert wurde und wird.« Da ist er wieder, der Zeigefinger auf die BBU's (die »Bösen Bonner Ultras«, wer es vergessen haben sollte), die auch genauso politisch ge-und verurteilt haben und es heute noch tun. Und die Tatsachen in der Rechtsprechung der Alt- wie der Neu-BRD scheinen Claus Dümde auch noch recht zu geben, wenn er feststellt, daß »stets der politische Zweck maßgebend dafür« ist, »ob angeklagt und verurteilt wird«. Alles richtig, nur bin ich mir sehr unsi-
eher, ob die dafür verantwortlichen Richter und Gerichte ebenfalls von einem Standpunkt aus urteilten bzw. urteilen, der sich »sozialistisch« nannte, auf einem Höchstmaß an Gerechtigkeit basieren sollte, der nun aber wirkliche Gleichheit aller Menschen (in der DDR) nicht nur vor dem Gericht versprach?
Da war man als DDR(-Führung) nun in der UNO anerkannt und hat den KSZE-Vertrag in all seinen Bestandteilen unterschrieben, nur einhalten wollte man ihn nicht. Das wußten wohl auch einige derjenigen, die eine »legale« Ausreise für nicht besonders erfolgversprechend hielten und es deshalb illegal versuchten. Es war halt ihr Pech, wenn sie dabei »erwischt«, was in der Endkonsequenz auch bedeuten konnte, »erschossen« wurden. So nach dem Motto: »Willst Du nicht mein Bruder sein, dann schlag' ich Dir den Schädel ein!«? Solches Argumentieren und Tun »sozialistisch« zu nennen und dann auch noch zu entschuldigen, hat schon perverse Züge. Wohlgemerkt, von einem sozialistischen Standpunkt aus, den ich mir immer noch zugute halte.
Zumal es noch perverser wird: Wer das Glück hatte, nicht erschossen oder wegen seines legalen Ausreiseantrages eingesperrt zu werden, besaß ja immer noch die Chance, verkauft zu werden. Etwa so wie die Soldaten des Königs von Hannover in Schillers »Kabale und Liebe« nach Amerika verkauft wurden, damit Luise Millerin ihr Halsgeschmeide bekommen konnte. Schillers Tragödie, übrigens »ein Gegenwartsstück«, in dem der Dichter auf jede Verhüllung verzichtet, und »... die schärfste Verworfenheit ... meisterhaft dargestellt ist« (Lexikon deutschsprachiger Schriftsteller, Band 2, S. 266, Leipzig 1974). Natürlich ist es bittere Ironie der Geschichte, daß heute Juristen des damaligen »Klassenfeindes« darangehen, diese Art von »sozialistischer Politik« aufzuarbeiten, indem sie sie juristisch bewerten. Darüber sollten sich all jene nicht beschweren, die zu DDR-Zeiten oben genannte Strafverfolgung guthie-ßen, verdrängten, keinen Widerstand leisteten und Juristen der Alt-BRD einseitig als »Nazi-Juristen« verurteilten. Was haben die denn nun vom Kapitalismus erwartet? möchte man fragen. Wohl kaum das darauf erfolgte Urteil (dessen Begründung teilweise aberwitzig erscheint, muß hinzugefügt werden).
Gerd Dolge 98528 Suhl
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