Dieser Text ist Teil des nd-Archivs seit 1946.

Um die Inhalte, die in den Jahrgängen bis 2001 als gedrucktes Papier vorliegen, in eine digitalisierte Fassung zu übertragen, wurde eine automatische Text- und Layouterkennung eingesetzt. Je älter das Original, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der automatische Erkennvorgang bei einzelnen Wörtern oder Absätzen auf Probleme stößt.

Es kann also vereinzelt vorkommen, dass Texte fehlerhaft sind.

Bekannte Namen auf der Gästeliste

  • Lesedauer: 3 Min.

Viktor Kopp informierte aus Berlin Trotzki über die Absicht beispielsweise der Albatros-Werke, von Blohm & Voss sowie von Krupp, Flugzeuge und U-Boote (vom Versailler Vertrag Deutschland untersagt) in Sowjetrußland bauen zu lassen und auch die gemeinsame Herstellung von Granaten zu erwägen. Obwohl nicht alle Blütenträume reiften, kam es zu einer Reihe gemeinsamer Unternehmungen, über deren Ausmaß jüngste Archivfunde beredtes Zeugnis ablegen. Die GEFU wurde nach vier Jahren von der WIKO (Wirtschaftskontor) abgelöst. Grund für die Auflösung der GEFU: Die Stalinsche Geheimpolizei hatte festgestellt, daß Beziehungen »zwischen der Firma Junckers und verantwortlichen Persönlichkeiten« der sowjetischen Luftstreitkräfte »auf Bestechung beruhten«.

Doch das tat der Sache keinen Abbruch. An gemeinsamen Rüstungsprojekten beteiligten sich u. a. Rheinmetall und BMW, Horch, Telefunken und Zeiss, die Gutehoffungshütte, Auer und der Luftschiffbau Dr. Eckner, Mercedes-Benz und Lorentzen, Siemens, Walther, Heinkel, Messerschmitt, Junckers und Goertz so-

wie Hugo Stolzenberg, ein Hamburger Unternehmen im Dienst der chemischen Kriegführung.

Rote Armee und Reichswehr betrieben gemeinsam Ausbildungsstätten für Piloten. Die technische und operativ-taktische Schulung erfolgte in Lipezk unter Oberst Hermann von der Lieth-Thomsen, getarnt unter der Bezeichnung »4.Staffel der Roten Luftflotte« oder gar »4. Fliegerabteilung Genosse Thomsen«. Auch eine Generalstabsausbildung gab es - an der Moskauer Akademie der Luftstreitkräfte. Hier leitete Generalleutnant Martin Fiebig, später an der Stalingrader Schlacht beteiligt, jahrelang einen Lehrstuhl. Die Panzerkriegführung wurde von beiden Seiten in Kama an der Wolga erprobt. Hohe sowjetische Offiziere wie Below, Blücher, Dybenko, Fedko, Jakir, Kotow, Kfasilnikow, Merezkow, Swetschkow und Triandafilow nahmen an der Generalstabsausbildung in Deutschland teil. Kotow, in den Akten auch unter den Pseudonymen Naumow und Lawrentjew zu finden, hieß eigentliche Eitingon; seine »berühmteste« Operation war die Leitung der Ermordung Trotzkis.

In der Sowjetunion hielten sich für kürzere oder längere Zeit die späteren Generalfeldmarschälle Wilhelm Ritter von Leeb, Erich von Manstein, Walter Model und Wilhelm Keitel auf. Der spätere Reichskriegsminister und Oberbefehlshaber der Wehrmacht Werner von Blomberg besuchte mehrfach die Sowjetunion. Gern gesehene Gäste waren die Generale Heinz Guderian, Walter Heitz, Hermann Hoth, Erich Hoeppner und Theo Kretschmer - sie alle sollten später vor Moskau und Stalingrad scheitern.

Michail Tuchatschewski reiste als »Iwanow« nach Deutschland; er nahm an den großen Herbstmanövern der Reichswehr 1932 im Raum Frankfurt (Oder) teil. Anschließend besuchte er, zu dieser Zeit Chef der Verwaltung Ausrüstung und Bewaffnung der Roten Armee, die Infänterieschule Dresden, den Truppenübungsplatz Königsbrück, den Flugplatz Tempelhof und Einrichtungen der

Firma Siemens in Berlin. Der Chef der Heeresleitung, Generaloberst Kurt von Hammerstein, erwies sich seinerseits bei seinen Besuchen in Moskau als einer der wenigen scharfsichtigen' deutschen Beobachter. Im Dezember 1932 warnte er, Deutschland solle sich nie auf einen Krieg mit Rußland, einlassen: »Rußland ist unbesiegbar ... Die russische Armee und die russischen Arbeiter werden ihre Heimat fanatisch verteidigen.« Hammer stein gehörte wie der kurzzeitige Reichskanzler General Kurt von Schleicher und der Chef des Truppenamtes Adam und Hans von Seeckt zu jenen Militärs, die für eine Ostorientierung Deutschlands einstanden. Im Gespräch mit Kliment Woroschilow hatte er am 5. September 1929 als die drei Wesenszüge der deutschen Ostpolitik, wie er sie vertrat, erklärt. »Freundschaft der Armeen; eine so freundschaftliche wie nur möglich, Außenpolitik und gegenseitige Anerkennung der Innenpolitik.«

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.

- Anzeige -
- Anzeige -