Zehntausende Kinder haben in Süd- und Südostasien durch den Tsunami ihre Eltern verloren. In der thailändischen Provinz Phang Nga kümmern sich Helfer liebevoll um die jüngsten Opfer der Naturkatastrophe. Es gibt aber auch unrühmliche Ausnahmen.
In Bang Muang ist viel Kinderlachen zu hören. Auf dem Spielplatz toben Jungen und Mädchen. In einer Malgruppe um die Ecke geht es ruhiger, aber nicht weniger fröhlich zu. Ban Muang ist kein gewöhnlicher Ort. Es ist eines der vielen Barackenlager in der thailändischen Provinz Phang Nga, in denen Zehntausende Überlebende des zerstörerischen Tsunamis vom 26. Dezember 2004 Aufnahme gefunden haben. Doch, so erzählt Lise Bang Ericsson, »die Fröhlichkeit ist nur an der Oberfläche«. Viele der Kinder seien traumatisiert.
Ericsson weiß, wovon sie spricht. Die Norwegerin, ihr Mann Anders und der knapp drei Jahre alte Sohn Ragnar machten am Strand von Kao Lak Urlaub, als die Welle kam. Lise und Anders haben überlebt. Der kleine Ragnar ist seitdem verschwunden. Die schwangere Lise und Ehemann Anders sind in Thailand geblieben. Mit einer Stiftung, die den Namen ihres Sohnes trägt, wollen sie »Tsunami-Kindern« helfen. »Wir wollen anderen Kindern geben, was wir Ragnar nicht mehr geben können«, sagt Anders Ericsson mit Tränen in den Augen.
»Sechs Monate nach dem Tsunami ist die Angst noch immer da«, betont Mie Takaki, die für die Kinderhilfsorganisation Plan International die Hilfseinsätze in den vom Tsunami betroffenen Regionen Süd- und Südostasiens leitet. Die Überlebenden hätten erleben müssen, wie Geschwister, Eltern, Großeltern, Tanten und Onkel in den Fluten umgekommen sind. Und ein Drittel der insgesamt rund 280000 Toten seien Kinder gewesen, sagt Takaki. »Plan« konzentriere seine Projekte in Aceh, Thailand, Sri Lanka und Indien auf psychosoziale Hilfe, Bereitstellung von Unterkünften sowie den Wiederaufbau von Schulen. Es gehe darum, den Kindern eine Zukunft zu geben und sie nicht Opfer von Ausbeutung, Zwangsarbeit, Gewalt und Menschenhandel werden zu lassen. Takaki betont, wie wichtig es sei, die Kinder in alle Prozesse des Neu- und Wiederaufbaus aktiv einzubeziehen.
Es gibt aber auch Helfer, die die Notlage der Menschen ausnutzen. Inmitten des quirligen Lagerlebens von Ban Muang steht ein großes Zelt mit einem meterhohen weißen Kreuz. Darin hat eine evangelikale Kirche aus Kalifornien eine Kindertagesstätte eingerichtet. Einer der ehrenamtlichen Missionare im orangefarbenen T-Shirt mit der Aufschrift »Thank you Jesus« (Danke Jesus) erläutert, sie betrieben mit den kleinen Thais »Bibelstudien«. Und er fügt hinzu: »Die beste Hilfe, die wir liefern können, ist ewige Erlösung.« Geistliche aller Religionen auf der Insel Phuket haben das Treiben der US-amerikanischen Missionare verurteilt. Buddhistische Mönche deckten gar auf, dass einige der christlichen Heilsbringer Gottes Wort durch Geldzahlungen Nachdruck verleihen lassen.
In den thailändischen Lagern sind es vor allem von Psychologen und Kunstlehrern betreute Malprojekte, mit denen Kinder wie Erwachsene ihre schrecklichen Erlebnisse verarbeiten. »In den Bildern drücken sich die Ängste, Hoffnungen, Sehnsüchte aus«, sagt der Kunstlehrer Apiyot Phaitoon. Auf private Initiative von »Farangs« (Weißen) und Thais werden die Bilder in alle Welt verkauft, um Mittel für Wiederaufbauprojekte zu verdienen. »So kommen die Gelder Betroffenen und Projekten direkt zugute und verschwinden nicht in den Taschen von Bürokraten und Politikern«, sagt Anders Bang Ericsson.
Pum ist auch ein Opfer des Tsunamis. Die Thailänderin hat ihr Restaurant und ihre Kochschule auf der tropischen Trauminsel Ko Phi Phi verloren. Die rührige Unternehmerin besitzt aber auf Phuket ein zweites Restaurant. Das hat den Tsunami überlebt. »Ich bin doch privilegiert«, sagt Pum. Deshalb habe sie sich ein paar Monate Auszeit genommen, um Kindern zu helfen. In Bangkok und in London hat Pum ein Buch herausgebracht mit Geschichten und Gemälden der Kindern von Ko Phi Phi. »Aus den Erlösen finanzieren wir Patenschaften für die Ausbildung der Kinder.« Und ganz die pfiffige Unternehmerin, die eine gute Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lässt, ergänzt Pum: »Schreiben Sie bitte, dass ich mich über einen deutschen Verlag für das Buch freuen würde.«
Ragnars Care Foundation und
Kinderbuch-Initiative im Internet:
www.ragnarscarefoundation.com, www.childrenofphiphi.com