Der Wert einer Bibliothek

Rudolf Scholz: »Schließzeit«

  • Christel Berger
  • Lesedauer: 2 Min.

Dass eine kommunale Bibliothek in einer ostdeutschen Kleinstadt geschlossen wird, passierte nach der Wende so oft, dass dies kaum noch einer Meldung wert war. »Rechnet sich nicht« - das war's.

Rudolf Scholz macht nun einen solchen Vorgang zum Gegenstand eines Romans und schildert Leben und Leute aus der Provinz: Die Bibliothekarin Anne, deren Tochter im Westen arbeitet. Den arbeitslos gewordenen Landmaschinenhersteller, der sich nicht unterkriegen lassen will, auch wenn sein Leben seinen Sinn verloren zu haben scheint. Den alten Lehrer, der nicht weiß, wem er seine Bibliothek vererben soll. Auch den Zugezogenen, der gern heimisch werden würde, aber auf Misstrauen stößt. Und den Bürgermeister, dem alles über den Kopf wächst und der fast am Parteiengerangel scheitert. Natürlich auch Wendehälse und einzig nur am Geld Interessierte.

Details und Atmosphäre stimmen. Besonders genau wird der Alltag in der Bibliothek beschrieben, die zu mehr als zur Ausleihe von Büchern gut ist. Hier trifft und berät man sich. Lesen erweitert den Blick. Welt, Geschichte und fremde Schicksale gelangen zu den Provinzlern. Manchmal strukturiert ein Bibliotheksgang den Tag oder die Woche und unterbricht die Eintönigkeit. Selbst stundenweise Kinderbetreuung wird gewährleistet. Und das alles dank Anne, der Bibliothekarin und guten Seele. Ihr wiederum blickt Anna Seghers über die Schulter. Die »alte Anna«, deren Bild schon einmal abgehängt werden sollte, macht Mut. Anne gelingt es sogar, dass die Bibliothekstür wieder geöffnet wird und der Betrieb weitergeht. Sie ist wie eine gute Fee. Dass sie von einem geläuterten Bürgermeister-König Beistand bekommt, kann Leser nur freuen.

Wenn auch ein bisschen betulich, gelingt Rudolf Scholz eine Darstellung, die über einen Zustandsbericht hinausgeht. Er fragt nach den Werten und Bedürfnissen der Menschen und verteidigt ein kulturvolles und solidarisches Miteinander. Dass es dabei auch ein bisschen märchenhaft zugeht, dürfte für ein Buch, das von einer Bibliothek handelt, fast selbstverständlich sein.

Rudolf Scholz: Schließzeit. Roman. Dingsda-Verlag. 254 S., geb., 24,90 €.

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