Ende der goldenen Jahre Chinas

Eisnerz- und Stahlpreise wegen der schwächeren Nachfrage aus dem Reich der Mitte im Sinkflug

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Nachfrage nach Stahl geht erstmals seit Jahren wieder zurück. Vor allem die sinkende Nachfrage aus China ist dafür verantwortlich. Für die großen Bergbaukonzerne eine schlechte Nachricht, denn die Weltmarktpreise für Eisenerz geben nach.

Angesichts des Konjunkturabschwungs der Weltwirtschaft sind die Prognosen für die Stahlproduktion rückläufig. Dies gilt auch für Deutschland: Statt 44,3 Millionen Tonnen wie 2011 werden neuen Berechnungen zufolge in diesem Jahr wohl nur 42,5 Millionen Tonnen Stahl an der Saar, an Rhein und Ruhr sowie den anderen Standorten gekocht. Verantwortlich für den Rückgang ist laut des Hauptgeschäftsführers der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff, die Staatsschuldenkrise im Euroraum.

Doch es gibt noch einen zweiten Grund, weshalb Stahl nicht mehr so gefragt ist wie in den letzten beiden Boomjahren. In China macht der Prozess der Verstädterung und des damit einhergehenden Ausbaus der Infrastruktur erstmals Pause. Die nachholende Industrialisierung des Reichs der Mitte geht nicht mehr so rasant vonstatten wie in der Vergangenheit und das lässt sich am Stahlsektor gut ablesen. China, dessen riesige Werke in Shanghai, Anshan oder Xinjiang rund 51 Prozent des weltweit produzierten Stahls liefern, drückt auf die Bremse. Weniger Nachfrage etwa nach Baustahl heißt im Umkehrschluss auch weniger Nachfrage nach dem wichtigsten Rohstoff für die Produktion: Eisenerz.

Das lässt sich auch an der Terminbörse in Shanghai beobachten. Dort sinkt der Stahlpreis und etwas zeitversetzt dazu auch der Preis für Eisenerz. Der Sinkflug begann bereits in der zweiten Jahreshälfte 2011 und ein Wachstum von nur 1,2 Prozent war für Chinas Stahlbranche ein erster herber Dämpfer. Parallel dazu gaben die heimischen Eisenerzpreise bis zum 31. Dezember 2011 bereits um 22 Prozent nach.

Mit einer Förderung von rund 900 Millionen Tonnen ist China weltweit die Nummer Eins beim Abbau dieses wichtigen Rohstoffs. Der heimische Bergbau konnte den Bedarf der mehr als 400 Stahlwerke im Land aber schon lange nicht mehr stillen. Also wurden in den letzten Jahren rund 600 Millionen Tonnen Eisenerz vor allem aus Australien importiert.

Doch die Einfuhren sinken und das drückt den Weltmarktpreis. Der lag noch vor gut einem Jahr bei 190 US-Dollar pro Tonne Eisenerz, heute pendelt er um die 88 Dollar. Eine Marge, mit der lange nicht alle Anbieter leben können - die Durchschnittskosten für die Förderung liegen bei 110 Dollar. Dies ist ein wesentlicher Grund, weshalb der australisch-britische Bergbaugigant BHP Billiton bereits erste Minenprojekte auf Eis gelegt hat.

So weit ist man beim größten Anbieter Vale aus Brasilien noch nicht. Dieser hat nämlich den Wettbewerbsvorteil niedriger Kosten. Das Erz wird im Tagebau direkt im Regenwald gefördert und per Eisenbahn zum Ausfuhrhafen transportiert, von wo es in erster Linie nach Europa und in die USA, aber auch nach China geht.

Die großen Minen in Australien leiden aber stärker unter der lahmenden Nachfrage aus China. Diese wird anhalten, denn zum einen sind im Reich der Mitte die Lager voll, zum anderen ist die Stahlproduktion höher als die Nachfrage. Die brasilianische Vale geht bereits vom Ende der »goldenen Jahre Chinas« aus.

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