Umfassend ausgegrenzt

Roma leiden in ganz Europa unter Diskriminierung und Benachteiligung

  • Katja Herzberg
  • Lesedauer: 3 Min.
Die prekäre Lage von Roma ist bekannt. Doch die Diskriminierung der größten Minderheit Europas hält an.

Menschen werden aus Zelten und Wohnwagen geschubst, nur das Nötigste können sie mitnehmen. Es sind Roma, die von Polizisten aus ihren notdürftig eingerichteten Siedlungen vertrieben werden. Nicht mehr ganz so gewalttätig wie noch unter dem konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy, der 2010 hunderte Roma aus Frankreich ausweisen ließ, wurden in den letzten Monaten immer wieder zumeist rumänische Migranten aus den Vororten französischer Großstädte verjagt.

Roma erleben Diskriminierung aber nicht nur durch Polizei und staatliche Behörden, sie sind in ganz Europa einer umfassenden Ausgrenzung ausgesetzt. Gewalttätige Übergriffe von Faschisten in Griechenland bilden nur den Höhepunkt eines Rassismus' gegen die größte ethnische Minderheit auf dem Kontinent.

Noch schlechter als in den westlichen EU-Mitgliedstaaten geht es vielen Roma in Osteuropa. Nach Angaben der EU-Kommission leben 80 Prozent der insgesamt geschätzten Zahl von zehn bis zwölf Millionen Roma in den seit 2004 beigetretenen EU-Ländern. Obdachlosigkeit, Arbeitslosigkeit, Vertreibung, fehlende Gesundheitsversorgung und Ausgrenzung von Kindern im Schulsystem prägen das Leben der meisten Roma. 90 Prozent von ihnen leben unterhalb der Armutsgrenze. Besonders gravierend ist die Lage noch immer in den EU-Staaten Rumänien und Bulgarien sowie in Ländern auf dem Westbalkan, die bald der EU beitreten wollen.

Wenn derzeit von der prekären Lage für Roma in Mazedonien und Serbien die Rede ist, hört man von der deutschen Regierung aber nur eines: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich setzt sich wegen der gestiegenen Zahl von Asylanträgen für die Wiedereinführung der Visumspflicht ein. Damit ist er nicht allein. Weitere fünf EU-Innenminister aus Frankreich, Österreich, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden haben bereits die EU-Kommission aufgefordert, eine Aussetzung des visafreies Reisens für Serbien und Mazedonien zu prüfen.

Dies wird auch beim Ratstreffen am Donnerstag Thema sein. Pro Asyl appelliert an die Minister, »keine neuen Grenzen und Mauern in Europa zu errichten«. Es sei aber zu befürchten, so der Europa-Referent Karl Kopp, dass sich die sechs Staaten durchsetzen werden. »Durch diese populistische Debatte werden Themen wie die Flüchtlingskrise in und um Syrien weggedrängt«, so Kopp.

Doch es gibt auch Bestrebungen der EU, die Situation von Roma zu verbessern. Im Sommer 2011 haben die Mitgliedstaaten und die EU-Kommission eine »Roma-Strategie« vereinbart. Bis 2020 soll Roma fairer Zugang zu Bildung, Beschäftigung, Gesundheitsversorgung und Wohnraum ermöglicht werden. Für die nationalen Programme stellt die EU 26 Milliarden Euro zur Verfügung. In einer ersten Bewertung im Mai gestand das zuständige EU-Kommissariat für Justiz und Bürgerrechte den Mitgliedstaaten zwar Bemühungen zu. »Dennoch muss auf nationaler Ebene noch weit mehr getan werden.« Stärkere Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und mehr Geld für Projekte wurden gefordert. Dafür spricht sich auch Karl Kopp aus: »Das Geld muss auch bei den Roma ankommen, um die Lebensverhältnisse grundlegend zu verändern.«

Sanktionen fordert die Europa-Abgeordnete Cornelia Ernst (LINKE). »Obwohl die EU den Mitgliedsstaaten mit der ›Roma-Strategie‹ auferlegt hat, konkrete Maßnahmen zur Zurückdrängung von Benachteiligung und Diskriminierung von Roma zu ergreifen, ändert sich in zahlreichen Mitgliedsstaaten nichts. Vielmehr wird die Situation für viele Menschen immer drastischer. Dies zeigt sich nicht zuletzt an den Vorgängen in Ungarn«, so Ernst.

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