Frostig
Robert D. Meyer über den Umgang der Staatsmacht mit den Hungerstreikenden
Frostig bleiben die Maßnahmen, mit denen die Staatsmacht den Hungerstreikenden am Brandenburger Tor begegnet. Die Polizei nimmt den Flüchtlingen alles ab, was auch nur den Anschein erwecken könnte, ein wenig Wärme zu spenden: Zelte, Schlafsäcke, Isomatten, sogar ein Stückchen Pappe. Auf dem kalten Boden dürfen die Demonstranten nur ungeschützt stehen oder sitzen.
Den Protestierenden einen Wärmebus anzubieten ist vielleicht nett gemeint, geht aber am Problem weit vorbei. Denn was den Flüchtlingen an Repressionen und Schikanen widerfährt, spiegelt ja nur das wider, was Tausende von Menschen deutschlandweit in Flüchtlingsunterkünften tagtäglich ertragen müssen. Die Bundesrepublik wagt es zwar nicht, das Jahrhunderte alte und heilige Recht auf Asyl zu verweigern. Sie verwehrt jedoch den Zugang zu Dingen, die ein Mensch zum Leben braucht. Flüchtlinge werden als Gäste auf Zeit geduldet, die man ja wieder loswerden kann - auch dank frostigen Klimas.
Solche menschenunwürdigen Zustände anzuprangern und zu ändern ist aber genau das Ziel, das die Flüchtlinge am Brandenburger Tor mit ihrem Hungerstreik verfolgen. Das ist schon fast ein letzter Schritt. Den geht ein Mensch in aller Regel nur dann, wenn ihm seine Lage aussichtslos erscheint. So setzen sich die Asylbewerber am Brandenburger Tor der Kälte und Ungerechtigkeit aus, um noch schlimmere Ungerechtigkeiten zu überwinden. An denen würde ein Wärmebus nichts ändern.
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