Fehlkalkulation zu Lasten der Griechen

Privatisierungserlöse bleiben weit hinter Erwartungen zurück

  • Filippos Sacharis, Athen
  • Lesedauer: 3 Min.
Griechenland soll sparen und Staatsbesitz verkaufen. Doch die Privatisierung kommt nicht recht voran. Erst am Mittwoch hat das Parlament ein Regelwerk gebilligt, mit dem der Fonds zur Privatisierung von Häfen, der Elektrizitätsgesellschaft und anderen staatlichen Betrieben voranschreiten kann.

Das griechische Privatisierungsprogramm mit einem Umfang von 50 Milliarden Euro bis 2016 galt bis vor Kurzem als das größte weltweit. Mittlerweile hat die Regierung des Mittelmeerstaats das Einnahmeziel deutlich gesenkt. Man habe sich mit der Gläubigertroika aus Europäischer Zentralbank, EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds auf 11,145 Milliarden Euro geeinigt, sagte der Chef des Privatisierungsfonds, Takis Athanasopoulos, am Dienstag im Parlament.

Das Programm hat viele Debatten und Reaktionen im ganzen Land hervorgebracht. Der Dachverband der Gewerkschaften im öffentlichen Dienst befürchtet, dass die soziale Rolle des Staates praktisch abgeschafft wird - zu Lasten der Arbeitnehmer und zum Wohle der wenigen wirklich Mächtigen. Ähnlich äußern sich der Allgemeine Arbeitnehmerverband und die linken Oppositionsparteien. Einen »Dialog mit der Regierung und den politischen Parteien« fordern die Beschäftigten der griechischen Post in der Frage der Privatisierung ihres Unternehmens. Die Arbeitnehmer der Eisenbahn reagierten schärfer. Sie warnen davor, dass mit dem Verkauf des Unternehmens eine Reduzierung der Mitarbeiterzahl um bis zu 55 Prozent und eine Reduzierung ihrer Gehälter um etwa um 40 Prozent drohe.

Die Angestellten der Telefongesellschaft OTE bestätigen diese Ängste. Ihr Unternehmen ist bereits teilprivatisiert worden. Nach dem Erwerb weiterer Aktienpakete durch die Deutsche Telekom, deren Einstieg bei OTE auf das Jahr 2008 zurückgeht, besitzt die deutsche DAX-AG inzwischen einen Anteil von 40 Prozent bei OTE. Entlassungen und Lohnverlust waren die Folgen.

Reagiert haben auch die Hafenarbeiter. Ihr Streik stand unter der Losung »Gegen Thatchers Modell der vollständigen Privatisierung!«, womit sie an das Vorgehen der britischen Regierung in den 80er und 90er Jahren erinnerten.

Dagegen hat der griechische Industrieverband SEB für Privatisierungen plädiert und festgestellt, dass sie dem Staatshaushalt Einnahmen brächten und »bessere Wettbewerbsbedingungen auf den relevanten Märkten« schaffen könnten. Bei einem Treffen des SEB-Präsidenten mit dem Vorstand der Bank von Griechenland hieß es, beide Seiten seien sich einig, dass das Privatisierungstempo erhöht werden müsse.

Obwohl unstrittig ist, dass die Mehrheit das Verscherbeln staatlicher Gesellschaften ablehnt, lässt die Regierung von Ministerpräsident Antonis Samaras keinen Zweifel daran, dass sie ihre Pläne umzusetzen entschlossen ist. Darin ist sich die Koalition aus Nea Dimokratia, PASOK-Sozialisten und Demokratischen Linken (DIMAR) bis jetzt einig. DIMAR-Chef Fotis Kouvelis hat die Zusage seiner Partei damit begründet, dass die Privatisierung eine offene Frage sei und er selbst im übrigen nicht zu den Verfechtern staatlichen Eigentums gehöre. Viel, wenn nicht alles hängt nun davon ab, wie die Bürger reagieren, wenn es mit der Zerschlagung der Staatsunternehmen ernst wird.

Die einst erhofften Privatisierungseinnahmen von 50 Milliarden Euro, die im Februar 2011 von Troikabeamten genannt wurden, lassen sich auf keinen Fall realisieren. Im Dezember 2011 hatte die damalige Regierung von Lukas Papadimos Privatisierungseinnahmen von 9,3 Milliarden für dieses Jahr veranschlagt. Aber schon im Februar 2012 sprach man nur noch von 4,5 Milliarden, im Sommer gar von 3,2 Milliarden Euro. Im September wurde der Gesamtwert der zur Privatisierung ausersehenen Unternehmen auf sieben Milliarden Euro beziffert. Das entspricht knapp 14 Prozent des ursprünglich taxierten Wertes.

Experten meinen ohnehin seit langem, dass Privatisierung keine Lösung für die griechischen Probleme und schon gar kein Allheilmittel für finanziell angeschlagene Staaten sei. Nach dem Gesetzentwurf des griechischen Finanzministeriums erhielte der Staat zum Beispiel vom Lotto- und Sportwettenanbieter OPAP bis 2020 bis zu 30 Prozent von dessen jährlichem Bruttogewinn. Der Steuersatz für OPAP-Spiele wird auf 10 Prozent eingestellt. Der aktuelle Wert des Unternehmens beträgt 450 Millionen Euro bei der Athener Börse. Aus seinem Verkauf wird der Staat voraussichtlich nicht mehr als 19 Millionen Euro kassieren.

Die Einnahmen aus Privatisierungen in den letzten zwei Jahren sind also gering. Nach dem fünften Evaluierungsreport der Troika erhöhen sich infolge der hinter den Erwartungen bleibenden Privatisierungserlöse Griechenlands Schulden, gemessen an seinem Bruttoinlandsprodukt, demzufolge bis zum Jahr 2020 voraussichtlich von 120 auf 138 Prozent.

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