Tiefenentspannt gegen die Genies
Champions League: Dortmunder überzeugen beim 2:2 auch in Madrid
Die handgesteuerten Rasenmäher waren nach dem Spiel im Estadio Santiago Bernabéu in der Überzahl. Die Beleuchtung war längst gedimmt, als vier Arbeiter die kleinen Geräte in Richtung der letzten drei Dortmunder Fußballer lenkten, die in der Nordkurve noch immer der sangesfreudigen Fangemeinde ihre Aufwartung machten. Nun flüchteten auch Marco Reus, Mats Hummels und Kevin Großkreutz vor den Aufräumarbeiten. Sie hätten sich wohl nicht so leicht vertreiben lassen, wenn diese packende Champions-League-Partie wirklich gewonnen worden und der letzte Freistoß von Mesut Özil nicht in vorletzter Minute zum 2:2 ins Tor gehüpft wäre. »Ausgerechnet unser Nationalmannschaftskollege haut uns so einen rein«, stellte Hummels später mit leicht vorwurfsvollem Unterton fest.
Doch der finale Wirkungstreffer löste im Dortmunder Lager - genau wie das späte 1:1 bei Manchester City - ansonsten kaum Ärger aus. Die Verantwortlichen wirkten geradezu tiefenentspannt. »Wir hätten gerne glücklich gewonnen, aber so haben wir verdient einen Punkt geholt«, analysierte Cheftrainer Jürgen Klopp - wohl wissend, dass seinem Ensemble nun am 21. November bei Ajax Amsterdam ein Remis reicht, um ins Achtelfinale einzuziehen. Ansonsten bliebe immer noch das Heimspiel gegen Manchester City (4. Dezember). »Den einen Punkt holen wir«, insistierte Sportdirektor Michael Zorc mit einem neuen schwarz-gelben Selbstverständnis.
Auch Klopp verdichtete sein Resümee auf die Einschätzung, »dass es nicht so schlecht ist, gegen zwei der stärksten Mannschaften der Welt auswärts unentschieden zu spielen. Es ist keine Selbstverständlichkeit, Real an den Rand der Niederlage zu bringen. Wir haben auch nicht erwartet, den direkten Vergleich gegen Madrid zu gewinnen.« Und der späte Ausgleich? »Trübt im Moment, aber nicht im Rückblick!«
Die einzige leichte Dissonanz beim deutschen Meister tat sich an diesem kühlen Abend in der spanischen Hauptstadt zwischen Trainer und Torwart auf. »Wenn der Roman eine richtige Torwartbewegung macht, haut er sich den Kopf blutig. Das war unglücklich.« Klopp hatte damit umschrieben, dass der ansonsten wieder teils überragend haltende Weidenfeller bei Özils Tor eine Teilschuld trug, die der Tormann umgehend negierte. »Ein absoluter Geniestreich, der Ball fällt am Mauereck runter«, befand der 32-Jährige und plädierte auf »unhaltbar«. Denn: »Deshalb spielen diese Jungs bei Real.« Özil trat wegen seiner Traumflanke (für Pepe zum 1:1) und seinem Trickfreistoß tatsächlich als Meister der Effizienz auf, und doch flüchtete er nach dem Spiel ebenso wie der frustrierte Superstar Cristiano Ronaldo aus dem Stadion.
So blieb es mal wieder an ihrem Trainer José Mourinho, sich über das Unrecht zu beklagen, als ein reguläres Tor des eingewechselten José Callejón (47.) wegen Abseits aberkannt worden war. So wäre der Rückstand durch Marco Reus und das von Mario Götze erzwungene Eigentor von Àlvaro Arbeloa (»Er war so freundlich, den Ball reinzuschießen. Wer weiß, wo ich hingeschossen hätte?«) viel früher egalisiert gewesen.
Dortmunds Kapitän Sebastian Kehl richtete den Fokus lieber vorwärts. Auf ihn und die Kollegen warten die Alltagsaufgaben FC Augsburg und SpVgg Greuther Fürth. »Das müssen wir in die Reihe kriegen, damit der Zug in der Bundesliga nicht abfährt.« Seine Furcht erregende Gesichtsmaske hatte er dabei abgelegt; er fand es schon schlimm genug, dieses königliche Remis nur mit eingeschränkter Sicht erleben zu müssen.
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