Staub auf einem Auge

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Vorstoß endete in einem Desaster: Am Mittwochabend blies James Wille, Chef der CDU-Fraktion in der Bezirksvertretung Bochum-Mitte, zum Rückzug. Ohne Pauken, Trommeln und Trompeten. Ja, ohne ein Wort der Begründung.

Nein, Willes CDU-Truppe wollte nun doch nicht ihren Antrag zur Abstimmung stellen, ein »Denkmal zur Erinnerung der Gefallenen im 1. Weltkrieg« wieder am Eingang des Stadtparkes aufzustellen. Der Feind hatte nämlich die ganz großen Kanonen aufgefahren. An vorderster Front die LINKE: »CDU will Nazidenkmal auferstehen lassen«, wetterte Fraktionschefin Karin Plagge. Und in der Tat: Die Skulptur zeigt einen Soldaten aus Weltkrieg eins, der eine Flagge weiterreicht an einen Kameraden in Wehrmachtsuniform. Auf dessen Helm prangt ein Hakenkreuz.

Als das Denkmal einst eingeweiht wurde, man schrieb das Jahr 1935, betonte Bochums Oberbürgermeister Dr. Otto Leopold Piclum, die Skulptur sei »ein Bekenntnis zum nationalsozialistischen Deutschland«. Ein Kriegsveteran tönte: »Mögen durch dieses Denkmal immer die künftigen Geschlechter erinnert werden, dass der Deutsche zu sterben weiß!« 1983 wurden die Soldaten abgesägt von - je nach Gusto: - »engagierten Bürgern« (Plagge, LINKE) oder von »Linksextremisten« (Wille, CDU).

Seitdem verstaubten die Metallkrieger im Stadtarchiv. In Bochum ist das kein Geheimnis. Aber warum überhaupt der Antrag und dann der Rückzug? Staub auf einem Auge, dem rechten gar? James Wille sagt, er habe zwei Künstler gleichen Namens miteinander verwechselt. Nach Hinweisen von »Kollegen« aus der Bezirksvertretung musste Wille einsehen, dass nicht jener Walter Becker das Denkmal errichtete, der von den Nazis als »entarteter Künstler« verfolgt wurde, sondern ein systemnaher Bildhauer. »Auf dieser Basis konnte ich den Antrag nicht aufrecht erhalten.«

Das mag Willes »Kollegin« Karin Plagge nicht ganz nachvollziehen: Naziästhetik und Expressionismus trennen Welten«, befindet die LINKE.

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