Wünsche für China
Detlef D. Pries über den Umgang des Westens mit China
Wenn es hierzulande und andernorts im Westen um China geht, beginnt die große Heuchelei. Liao Yiwu, ausgezeichnet mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, erhält Beifall für sein rigoroses Ceterum censeo: »Dieses Imperium muss auseinanderbrechen!« Dabei weiß das applaudierende Publikum, zumindest ahnt es, dass die Bebenwellen eines solchen Zerfalls auch in Europa - in nur vermeintlich sicherer Entfernung - schmerzhaft zu spüren wären. Schon die Nachricht vom Sinken chinesischen Wirtschaftswachstums um ein einziges Prozent wird hier mit einer eigenartigen Mischung aus Häme und Sorge verkündet. Die Botschaft »vom Tode des chinesischen Großreichs«, deren Überbringer Liao gerne wäre, müsste dagegen Panik auslösen: Ein »Motor der Weltkonjunktur« fiele aus, zu schweigen davon, dass sich die neuen »streitenden Reiche« in kriegerische Konflikte verwickeln könnten.
Liaos Forderung zu widersprechen, bedeutet indes nicht, die bitteren Wahrheiten, aus denen sie erwächst, in Abrede zu stellen. Die neue Führungsgeneration in Peking muss mehr als rhetorische Anstrengungen unternehmen, um den »reichen, starken, demokratischen, zivilisierten, harmonischen, modernisierten, sozialistischen« Staat zu schaffen, den Hu Jintao vor seinem Abschied als Parteichef versprochen hat. Und fraglich bleibt, ob seine Landsleute auf die Einlösung des Versprechens bis zur Hundertjahrfeier der Volksrepublik 2049 warten werden. Doch zu wünschen ist China, in aller Interesse, dass die Reformen gelingen.
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