Amokreaktion
Roland Etzel über den neuerlichen Schlagabtausch in Nahost
Der israelische Schlag gegen Gaza kam nicht unerwartet. Ministerpräsident Netanjahu und seine Likud-Partei müssen sich demnächst den Wählern stellen. Die werden sich erinnern, dass seinen Beteuerungen nach den gewaltigen Sozialprotesten 2011/12 wenig bis nichts an konkreten Verbesserungen folgte. Der Nahostfriedensprozess liegt seit langem auf Eis, wozu Netanjahu mehr beigetragen hat als seine Vorgänger. Die Raketenangriffe der Hamas auf israelisches Territorium taugen deshalb kaum als Rechtfertigung für Netanjahus Reaktion, solange von seiner Seite keinerlei Bereitschaft für eine palästinensische Eigenstaatlichkeit vorliegt.
Die Attacken der Hamas erscheinen politisch hilflos, militärisch ohne Sinn und wegen der zu erwartenden schweren Folgen für die ohnehin leidgeprüfte palästinensische Zivilbevölkerung auch verantwortungslos. Die Gesamtsituation darf bei der Beurteilung der Hamas-Desperados aber nicht unberücksichtigt bleiben. Nach temporärer Aufmerksamkeit für die von Israel zu verantwortende Ghettoisierung des Gaza-Streifens drohte das im Wortsinne ausweglose Schicksal der dort Lebenden schon wieder in Vergessenheit zu geraten. Das sogenannte Nahostquartett - EU, Russland, UNO, USA - zeigt leider allein in seiner Untätigkeit bemerkenswerte Konstanz, und das ist Gift für jegliche politische Lösung. All dies berücksichtigend, ist es entweder verlogen oder von wenig Sachkenntnis getrübt, wenn der deutsche Außenminister nun mit besorgter Miene vor einer »Zuspitzung des Nahostkonflikts« warnt.
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