Fluglärm-Abkommen abgestürzt

Berlin und Bern müssen noch mal über Zürich-Kloten reden

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Deutschland will mit der Schweiz mal wieder einen Vertrag nachverhandeln. Diesmal geht es nicht um ein Steuerabkommen, sondern um einen umstrittenen Fluglärm-Staatsvertrag.

Viele Eidgenossen wundern sich: Hat die Schweiz wirklich die besseren Diplomaten? Nach dem man die Deutschen offenbar schon beim Abkommen wider die Steuerhinterziehung über den Tisch gezogen hatte, will nun der deutsche Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) den von ihm signierten Vertrag zur An- und Abflugkontrolle des Airports Zürich-Kloten neu aufrufen.

Andere Schweizer meinen, ihr Land werde immer mehr zum Spielball innerdeutscher Polit- und Wahlkampfquerelen. Vor allem der massive Widerstand aus Baden-Württemberg - einige südliche Regionen sind in der Tat betroffen vom zunehmenden Luftverkehr und damit von mehr Lärm - führte dazu, dass Ramsauer nun nachjustieren will.

Wie das ausschauen könnte, schlagen Schweizer Witzbolde in Leserbriefen bereits vor: Wir sollten den Deutschen einfach wieder mal vorrechnen, wie viele Deutsche über Kloten fliegen, ist da zu lesen. Ergo: Man sollte die Anzahl der An- und Abflüge nach der Anzahl der Passagiere quotieren. Rund 20 Prozent der nach Zürich gebuchten Fluggäste kommen direkt aus dem süddeutschen Raum. Verringere sich deren Anteil, so könnte man die Anflüge über Südbaden entsprechend reduzieren ...

Pech nur, dass selbst solche nicht ganz ernst gemeinten »Anregungen« an unklaren Vertragszahlen scheitern müssen. Die Schweiz geht davon aus, dass maximal 110 000 Anflüge pro Jahr über Süddeutschland möglich sind. Vertragspartner Ramsauer sagt dazu: »Das ist völliger Quatsch.« Er pocht stattdessen auf eine Reduktion der aktuell rund 100 000 Anflüge auf 85 000. Und was sagt der Flughafenbetreiber? Er ist sich sicher, dass bei 110 000 Anflügen noch lange nicht die Kapazitätsgrenze erreicht ist.

Nun liegt der Staatsvertrag also vorerst auf Eis. Doch die zuständige Schweizer Bundesrätin Doris Leuthard hält an ihm fest. Klare Aussage: »Nachverhandlungen sind ausgeschlossen.« Das Abkommen soll Ende des Jahres dem Parlament vorgelegt werden. Es bringe der Schweiz Rechtssicherheit und ermögliche dem Flughafen Zürich eine moderate Entwicklung. Doch die Berner Regierung ist bereit, »die von deutscher Seite aufgetauchten offenen Fragen gemeinsam anzuschauen und zu klären«, hieß es aus dem Leuthard-Amt.

Die angestrebten Präzisierungen des Fluglärm-Vertrags könnten als Anhang, Zusatz oder Protokoll beider Seiten erfolgen, deutet auch Ramsauer an.

Dass bei gutem Willen auf beiden Seiten Hindernisse aus dem Weg geräumt werden können, zeigt ein anderes Beispiel. Im Sommer 2010 sorgte die Schweiz für Verstimmung auf deutscher Seite. Zürcher Taxifahrer hatten einen Vertrag zwischen den Verkehrsministerien beider Länder aus den 1950er Jahren ausgegraben, wonach eine Abholung von Passagieren am Flughafen für deutsche Taxis unzulässig ist. Man folgte den Lobbyisten und verbot grenzüberschreitende Fahrten. Das wiederum empörte deutsche Wirtschaftsverbände aus dem Grenzland, sie machten der Stuttgarter Landesregierung Dampf.

Ergebnis? Zum Jahreswechsel tritt in Zürich eine neue Taxiverordnung in Kraft. Damit ist der Markt für die straßengebundene Personenbeförderung wieder offen. Auch Taxifahrer, die nicht in der Schweiz leben oder deren Staatsangehörigkeit haben, dürfen Fahrgäste über die Grenze bringen - das gilt natürlich auch für den Airport Zürich-Kloten.

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