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Fragwürdige Gesetzesnovelle

Leistungen für Flüchtlinge sollen erhöht werden / Geringe Bezüge für Migranten aus »sicheren Herkunftsländern«

Das höchste deutsche Gericht hat vor weinigen Monaten höhere Bezüge für Asylbewerber gefordert. Gestern wurde ein Gesetzentwurf bekannt, der die Karlsruher Beschlüsse umsetzen soll. Doch an dessen Verfassungsmäßigkeit gibt es Zweifel.

Rund 20 Jahre hat es gedauert, jetzt ist es bald soweit: Asylbewerber sollen in Deutschland mehr Geld erhalten. Das Arbeitsministerium hat einen Entwurf für eine neues Asylbewerberleistungsgesetzt (AsylbLG) vorgelegt. Demnach sollen die Leistungen für Flüchtlinge etwa zehn Prozent unter denen der Hartz-IV-Betroffenen liegen, nach Möglichkeit aber als Sachleistungen bereitgestellt werden. Nach zwei Jahren, so die Pläne, sollen Schutzsuchende Anspruch auf Sozialhilfe haben. Beabsichtigt wird außerdem, Flüchtlinge schneller zu sanktionieren. Der Hartz-IV-Regelsatz beträgt aktuell 374 Euro.

Eine Neuregelung kommt nicht deshalb zustande, weil Schwarz-Gelb plötzlich ihr Herz für Flüchtlinge entdeckt hat. Sie geht vielmehr auf ein Urteil des Bundesverfassungsgericht zurück, dass im vergangenen Sommer gefällt wurde. Das Gericht hatte beanstandet, dass Schutzsuchenden nur 30 bis 40 Prozent der Hartz-IV-Bezüge erhalten. »Der Senat hat entschieden, dass die Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz das vom Grundgesetz geforderte menschenwürdige Existenzminimum evident verfehlen. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, unverzüglich eine verfassungsgerechte Neuregelung zu treffen«, so die Begründung damals.

Doch nicht alle Flüchtlinge sollen von der Novelle gleichermaßen profitieren. Laut »Süddeutscher Zeitung« hat Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich durchgesetzt, Asylbewerber aus Staaten, die nicht für politische Verfolgungen bekannt sind, geringere Leistungen zu gewähren. Damit reagiert die Bundesregierung auf eine verstärkte Zuwanderung aus Serbien und Mazedonien in den vergangenen Monaten. Die meisten von ihnen gehören der Minderheit der Roma an. Sie werden in ihren Heimatländern massiv diskriminiert und zum Teil bedroht. Im Oktober haben 2673 Serben Asyl in Deutschland beantragt. Im Monat davor waren es 1395 und im August 496 Asylbewerber. Ähnlich stark sind die Asylzahlen von Menschen aus Mazedonien gestiegen: Im Oktober kamen 1351 Schutzbedürftige in die Bundesrepublik. Im September waren es 1040 und im August 620.

Flüchtlinge aus Serben und Mazedonier werden von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) pauschal verdächtigt, nur nach Deutschland zu kommen, um Bezüge, die ihnen laut AsylbLG zusteht, zukassieren. »Der massive Zustrom« aus diesen Ländern, so der Minister, müsse »unverzüglich gestoppt werden«. Deutlicher kann man seinen Unmut über Zuwanderer wohl kaum ausdrücken.

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl vermutet, dass Friedrichs Ministerium eine Gesetzgebungsverfahren plant, um diese beiden Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer einzustufen zu lassen. Würde das passieren, bestünde eine »Vermutung der Verfolgungssicherheit, die nur im Einzelfall widerlegt werden kann«, heißt es in einem Positionsapier. Dann wären die Chancen auf ein erfolgreiches Asylverfahren »drastisch geschmälert«.

Laut Paritätischem Wohlfahrtsverband ist die AsylbLG-Novelle grundgesetzwidrig. Insbesondere eine pauschale Kürzung der Leistungen für Flüchtlinge aus »sicheren Herkunftsländern« ignoriere die Maßstäbe, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt habe. Dieser Einschätzung schloss sich Ulla Jelpke von der Linksfraktion im Bundestag, an. Das Gericht habe erklärt, dass »›migrationspolitische Überlegungen‹, also die Absicht, bestimmte Flüchtlinge durch abschreckende Maßnahmen von der Flucht abzuhalten, keinerlei Einschränkungen der Menschenwürde rechtfertigen können«. Die Pläne laufen daher auf einen »klaren Verfassungsbruch« hinaus, so die Linkspolitikerin.

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