Diplomatische Rüffel für Israel
Netanjahus Siedlungsbau in besetzten Gebieten wird nicht toleriert
In London, Stockholm, Paris, selbst in Berlin, Washington, Prag, den drei Hauptstädten, wo Israel bisher am nachdrücklichsten unterstützt wurde - überall war die Kritik an der Entscheidung der Regierung in Jerusalem groß, nach der Aufwertung Palästinas zum Beobachterstaat bei den Vereinten Nationen den Siedlungsbau voranzutreiben und die Transferzahlungen nach dem Steuerabkommen zwischen beiden Seiten einzustellen. Hatte Bundesaußenminister Guido Westerwelle am Sonntag noch vage erklärt: »Die Diskussion um eine Ausweitung der Siedlungspolitik macht uns große Sorgen«, um dann festzustellen, dass die Bemühungen um Frieden im Nahen Osten am »seidenen Faden« hingen, wurde Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag sehr viel deutlicher: Die Bundesregierung sei über die Pläne »äußerst besorgt«, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Israel untergrabe damit das »Vertrauen in seine Verhandlungsbereitschaft«.
Zudem telefonierte der deutsche Vizebotschafter in Tel Aviv am Montag mit dem stellvertretenden Außenminister Danny Ajalon - ein Gespräch, das von beiden Seiten als »unfreundlich« beschrieben wird.
Kritik äußerte auch US-Außenministerin Hillary Clinton: Die Entscheidung sei ein »Rückschritt für die Friedensbemühungen«, sagte sie bereits am Freitagabend.
Anderswo ist der seidene Faden allerdings längst gerissen: Unter anderem in Frankreich, Schweden und Großbritannien wurden die israelischen Botschafter einbestellt. Französische und britische Medien meldeten zudem, die beiden Regierungen erwögen die Abberufung der Botschafter »zu Konsultationen« - ein Schritt, der bisher im Verhältnis zu Israel einzigartig wäre. Der Chefunterhändler der palästinensischen Regierung, Saeb Erekat, erklärte, er hoffe, dass sich die beiden Regierungen dazu bereit fänden: »Es ist notwendig, dass die Welt Israels Regierung zeigt, dass sie sich nicht alles herausnehmen kann.«
Doch zumindest die britische Regierung beschloss am Nachmittag, dieses diplomatische Mittel »vorerst«, wie ein Sprecher von Premier David Cameron dem »nd« sagte, nicht anzuwenden: »Wir verurteilen die Beschlüsse der israelischen Regierung in aller Schärfe, werden aber zunächst alle anderen Wege versuchen.« Die französische Regierung hat sich derweil noch nicht öffentlich zu einer Abberufung geäußert.
Deutlich wurde auch die Regierung Tschechiens, des einzigen EU-Staats, der in der Vollversammlung der Vereinten Nationen mit Nein gestimmt hatte: »Wenn die israelische Regierung ihre Handlungen nicht überdenkt, ist es möglich, dass wir künftig bei internationalen Abstimmungen nicht mehr auf ihrer Seite stehen werden«, sagte ein Sprecher der dortigen Regierung.
Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen
Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.