Funkloch, Trojaner, Alkoholverbot

Kritik am neuen Polizeigesetz in Sachsen-Anhalt

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 2 Min.
Sachsen-Anhalt will es der Polizei erlauben, zur Gefahrenabwehr Handymasten abzuschalten. Kritiker befürchten nun »staatliche« Funklöcher etwa bei Demonstrationen gegen Neonazis.

Die Kritik am geplanten Sicherheits- und Ordnungsgesetz in Sachsen-Anhalt reißt nicht ab. Vergangene Woche kritisierte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) die Magdeburger Pläne für Aids- oder Hepatitis-Tests gegen den Willen der Betroffenen, nun geht es unter anderem um den Paragrafen 33 des geplanten Gesetzes. Der soll es der Polizei erlauben, »ein bestimmtes Mobilfunkendgerät oder eine bestimmte Mobilfunkzelle« auszuschalten. Ein Gerichtsbeschluss soll erst im Nachhinein notwendig werden, und selbst dann, wenn das Gericht nicht zustimmt, wäre solch ein »staatliches« Funkloch für zwei Tage möglich.

Darüber hinaus sollen Strafverfolger im Bereich eines abgeschalteten Handymastes stattfindende »Telekommunikationsversuche« dokumentieren dürfen. Es gehe dabei zum Beispiel darum, die »technisch mögliche Fernzündung eines Sprengsatzes per Mobilfunkgerät« zu unterbinden, heißt es. Im Text ist indes von der »Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person« die Rede. In einem im Internet kursierenden Artikel befürchtet dagegen der Technikjournalist Christian Kahle, die Bestimmung könne dazu benutzt werden, etwa bei Demonstrationen die Koordination der Teilnehmer zu unterbinden oder eine »Dokumentation des polizeilichen Vorgehens per Videostream zu behindern«.

Auch Henriette Quade, LINKE-Abgeordnete im Landtag von Sachsen-Anhalt, sieht »Großdemonstrationen« als »klassischen« Anwendungsbereich für eine solche Regelung. Dann entschieden die Einsatzleiter - und »angesichts dessen, was schon alles als Gefährdung eingestuft worden ist«, möchte sie sich auf deren Urteil »lieber nicht verlassen«. Die Möglichkeit des pauschalen Abschaltens der Kommunikationsmasten findet Quade befremdlich, andere Bundesländer kennen solche Möglichkeiten nicht.

Das Gesetz, das LINKE wie Grüne vehement kritisieren, enthält zudem eine ganze Reihe weiterer fragwürdiger Maßnahmen. So sollen bei normalen Verkehrskontrollen zur »Eigensicherung« der Polizisten Videoaufnahmen gemacht werden dürfen, Gemeinden sollen Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit verbieten können. Zudem soll ein »Staatstrojaner« eingesetzt werden, obwohl das Bundesverfassungsgericht solche Schnüffel-Programme unter Voraussetzungen gestellt hat, die bisher technisch kaum zu realisieren sind.

Die Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte, die nicht nur LINKE und Grüne fordern, sondern für die sich in einer Mitgliederbefragung auch 60 Prozent der mitregierenden Landes-Sozialdemokraten ausgesprochen haben, steht dagegen nicht im Entwurf. Am 12. Dezember ist im Landtag eine öffentliche Anhörung geplant.

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