Bankenrettung mit Geldern der Altersvorsorge

In Dänemark wurde erst jetzt bekannt, was nach der Lehman-Pleite genau geschah

  • Andreas Knudsen, Kopenhagen
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein halbstaatlicher Pensionsfonds rettete das dänische Finanzsystem vor dem Crash. Die Investitionen sollen sich ausgezahlt haben.

Von der Öffentlichkeit unbemerkt, haben die dänische Nationalbank und der Pensionsfonds ATP das dänische Bankensystem vor den schlimmsten Folgen der Finanzkrise gerettet. Was zwischen 2008 und 2010 in aller Stille vor sich ging, ist erst in den vergangenen Tagen in die Öffentlichkeit gelangt.

Seinerzeit stellte sich die Situation unmittelbar nach dem Zusammenbruch der US-Investementbank Lehman Brothers wie folgt dar: Nach den Informationen, die das Finanzministerium von einer Reihe Banken bekam, war die Lage dramatisch. Allen voran das größte Geldhaus des Landes, die Dänische Bank, geriet unter Druck, als die internationalen Kreditquellen plötzlich austrockneten und man sich vor Augen halten musste, dass Investitionen in US-amerikanische Hypotheken-Wertpapiere und der Kauf irischer Banken teure Fehlentscheidungen waren. Ohne kräftige Finanzspritzen würde das Banksystem zusammenbrechen.

Die einzige dänische Institution, die über ausreichende finanzielle Mittel verfügte, um den Banken unter die Arme zu greifen, war der ATP-Fonds. Dessen Leitung willigte ein, der Dänischen Bank einen Notkredit von 5,4 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Ihr Konkurs hätte unweigerlich die anderen Banken mit sich gerissen. Insgesamt musste ATP in den Folgemonaten umgerechnet 32 Milliarden Euro in den notleidenden Sektor investieren - eine Summe, die etwas mehr als die Hälfte seines Kapitals ausmachte.

Damit nicht genug, bekam auch die dänische Krone Probleme, den Festkurs gegenüber dem Euro zu halten. Anleger an den internationalen Finanzmärkten zogen sich aus den kleineren Währungen aus Angst davor zurück, dass diese ihren Wert nicht halten können. Die Investorenpanik verschärfte die Situation kräftig, nicht nur in Dänemark. Hier zeigte sich, dass die Devisenreserven der Nationalbank nicht umfangreich genug waren, um die Krone zu verteidigen. Auch hier intervenierte der Pensionsfonds und kaufte in den Jahren 2008 und 2009 dänische Kronen für insgesamt 13,4 Milliarden Euro auf. Parallel dazu musste ATP auch noch fast 50 Milliarden Kronen (etwa 6,7 Milliarden Euro) an dänische Sparer auszahlen. Dies geschah als Folge eines Regierungsbeschlusses, eine Zwangseinzahlung der Arbeitnehmer zu stoppen und zur Auszahlung freizugeben. Damit sollte die Binnennachfrage stimuliert werden, um die Rezession zu überwinden. Im Rückblick kann konstatiert werden, dass dieser Beschluss richtig war.

Die Situation für den Pensionsfonds war damals kritisch: Die Deckung der Auszahlungsverpflichtungen der betrieblichen Zusatzrenten geriet unter erheblichem Druck. ATP-Direktor Henrik Gade Jepsen beteuerte jetzt in einem Zeitungsinterview, dass sich die Investitionen für den Fonds letztlich ausgezahlt hätten. »Unsere Pensionen werden in Kronen ausgezahlt und durch die zeitweilige Strategieänderung konnten wir günstige Käufe tätigen und daran verdienen. Zudem waren wir mit dabei, die Liquidität zu sichern und das Investitionsklima zu retten.«

Die ATP-Intervention trug dazu bei, das Vertrauen in das dänische Bankensystem wiederherzustellen. Als Konsequenz aus der Krise hat die Nationalbank seither ihre Devisenreserven verfünffacht.


Lexikon

Der Pensionsfonds ATP wurde 1964 als Ergänzung zur gesetzlichen Rente gegründet. Für jeden Beschäftigten mit mehr als neun Stunden Wochenarbeitszeit zahlt der Arbeitgeber rund 2000 Kronen (268 Euro) und der Arbeitnehmer selbst 1000 Kronen im Jahr ein. Die Pensionsmittel werden in Aktien oder Anleihen im In- und Ausland angelegt. Die Auszahlungen sind besonders wichtig für Niedriglohnarbeiter. nd

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