Lufthansa spart bei seinen Töchtern

Ticketabrechnungswesen soll ins Ausland verlagert werden / Über 400 Jobs in Gefahr

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 3 Min.
Lufthansa will bekanntermaßen sparen. Diesmal soll es 300 von knapp über 400 Beschäftigten der Ticketabrechnung treffen.

Der Lufthansa-Konzern will seinen seit geraumer Zeit angekündigten Sparkurs rigoros durchsetzen. Besonders in seinen Tochtergesellschaften sieht er dafür entsprechende Potenziale, und wenn weltweit Personal abgebaut und wegrationalisiert wird, dann selbstverständlich auch in Deutschland. Diese bittere Erkenntnis trifft auch den Standort Norderstedt vor den Toren Hamburgs.

Die Fluggesellschaft will sich mit ihren weltweit 117 400 Beschäftigten kräftig verschlanken. Die Chefetage hat sich verordnet, allein in Deutschland rund 2500 Stellen zu streichen. Hauptsächlich die Verwaltung soll davon betroffen sein. Ziel des Unternehmenskonzeptes mit dem Titel »Score« ist eine Verbesserung des jährlichen Ergebnisses um 1,5 Milliarden Euro und die Einsparung von einem Viertel der bisherigen Personalkosten. Die Stimmung bei Lufthansa ist unter den Beschäftigten dementsprechend miserabel. Dies geht jedenfalls aus den Ergebnissen einer von Ende August bis Anfang Oktober konzernintern durchgeführten Mitarbeiterbefragung hervor.

Ticketabrechnung zu Schnäppchenpreisen

Besonders hart dürften die spätestens 2014 anstehenden personellen Einschnitte die Mitarbeiter der Lufthansa Revenue Services (LRS) im schleswig-holsteinischen Norderstedt treffen. Die 407 dort beschäftigten Bearbeiter des Ticketabrechnungswesens zittern um ihre berufliche Zukunft, seitdem Personalvorstand Stefan Lauer offen verkündete, diese spezielle Dienstleistung solle weitgehend an die zur Lufthansa gehörende, im Ausland ansässige Global Business Services ausgegliedert werden. Dabei ist die Rede von Billiganbietern in Bangkok, Mexiko-Stadt, Krakau sowie in Indien. Auch LRS-Geschäftsführer Reinhard Schäfer kündigte auf einer Betriebsversammlung »einschneidende Maßnahmen« an, ohne allerdings konkret zu werden. Dem Vernehmen nach sollen rund 300 Stellen zur Disposition stehen. Da rund 65 Prozent der Beschäftigten mehr als 15 Jahre bei LRS tätig ist, scheint im Konflikt um zu erwartende betriebsbedingte Kündigungen alles auf eine arbeitsrechtliche Auseinandersetzung hinauszulaufen.

Doch in Norderstedt kursieren auch Ängste vor den Folgen. Wird die LRS im befürchteten Ausmaß geschrumpft, fragt sich nicht nur der LRS-Betriebsratsvorsitzende Klaus Kahlcke, inwieweit die Norderstedter Immobilie mit Teilen der Lufthansa-Technik, der Lufthansa-Fracht und dem Lufthansa-Catering überhaupt noch rentabel fortgeführt werden soll, auch wenn es aus der Konzernleitung heißt, am Standort Norderstedt werde festgehalten. Neben den 300 LRS-Stellen könnten also noch mal so viele aus anderen Lufthansa-Tochtergesellschaften auf der Kippe stehen, wenn dem Standort nach betriebswirtschaftlicher Abwägung womöglich doch eine Zukunft abgesprochen wird.

Besonders Frauen wären betroffen

Betroffen sind von einer im Raum stehenden Arbeitslosigkeit insbesondere viele Frauen, die zudem ihre Arbeit in Teilzeit verrichten.

Auch in der Norderstedter Kommunalpolitik weiß man, dass etliche Familien in soziale Schieflage zu geraten könnten, wenn beispielsweise die Abträge für das eigene Haus fortan nicht mehr geleistet werden können. Da ergreift sogar der ehemalige CDU-Landtagsabgeordnete Manfred Ritzek an der Seite der Gewerkschaft ver.di Partei für die verunsicherten Lufthansa-Beschäftigten.

Diese wollen sich jedoch nicht kampflos ihrem Schicksal ergeben und kündigen Proteste an wie zuletzt bei einer Zusammenkunft mit Mitgliedern des Aufsichtsrates und des Vorstandes. Dass die Lufthansa von anderen Standorten Beschäftigte abzieht und in Norderstedt ansiedelt, von diesem Wunschgedanken ist der dortige Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote (CDU) beseelt - doch mit dieser Illusion steht er alleine da.

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