Ausschreibung nicht erfüllt

Sachsens DGB hält an eigenem Vergabegesetz fest

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
In Sachsen schwelt der Streit um ein neues Vergabegesetz weiter. Zwar hat die Koalition einen Entwurf vorgelegt, doch Gewerkschaften und Opposition bleiben unzufrieden und halten an einem eigenen Entwurf fest.

Firmen, die sich um öffentliche Aufträge bewerben, sind gut beraten, sich die Kriterien für die Vergabe gründlich durchzulesen - und sie einzuhalten. Anderenfalls kommen andere Anbieter zum Zug. Sachsens DGB-Chefin Iris Kloppich hält diese Herangehensweise auch bei Politikern für angebracht. Die Koalition aus CDU und FDP habe sie aber zumindest in der Debatte um ein neues Vergabegesetz für den Freistaat nicht beherzigt. Zwar haben deren Fraktionen im September zur allgemeinen Überraschung einen eigenen Entwurf in den Landtag eingebracht.

Haltelinie geplant

Doch der DGB hält diesen für unzureichend: »Er entspricht nicht unseren Ausschreibungskriterien«, sagt Kloppich. Alle aus Sicht der Gewerkschaften wichtigen Punkte seien gegenüber dem geltenden Gesetz aus dem Jahr 2002 »überhaupt nicht verbessert«. Mit einem Vergabegesetz wird geregelt, zu welchen Konditionen die öffentliche Hand im Freistaat Aufträge an Unternehmen erteilen kann. Eine aus Sicht der Gewerkschaften zentrale Frage ist dabei die Tarifbindung: Unternehmen kämen ihren Vorstellungen nach nur zum Zuge, wenn sie die tariflich vereinbarten Löhne zahlen. Zugleich solle ein Mindestlohn von 8,50 Euro als »unterste Haltelinie« fixiert werden, sagte Kloppich. Das sei vor allem wichtig, weil in einigen Branchen Tariflöhne deutlich unter dieser Marke gelten. So erhielten Gebäudereiniger nur rund sieben Euro Stundenlohn. Großen Regelungsbedarf sieht der DGB auch im Baugewerbe, wo Firmen mit Tarifverträgen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge oftmals durch unseriöse Dumpingangebote ausgestochen werden. CDU und FDP haben solche Vorgaben in ihrem Entwurf nicht vorgesehen.

Zugleich betonte die DGB-Chefin, dass die Lohnhöhe nicht das einzige maßgebliche Kriterium sei. Wichtig sei auch, dass ökologische und soziale Faktoren bei der Auftragsvergabe berücksichtigt würden. Dazu zähle die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Nachhaltigkeit und ein Ende prekärer Beschäftigungsverhältnisse. Nötig sei eine »öffentliche Debatte über den Wert von Arbeit«, sagt Kloppich.

Weil der Entwurf der Koalition den Vorstellungen nicht gerecht wird, will der DGB gemeinsam mit den drei Oppositionsfraktionen von SPD, LINKE und Grünen einen eigenen, alternativen Entwurf für ein Vergabegesetz vorlegen. Mit LINKE und SPD gibt es dazu bereits seit längerem Gespräche; die Grünen hatten zunächst an einer eigenen Vorlage gearbeitet. Jetzt gibt es aber einen gemeinsamen Vorstoß. Dazu sei »harte fachliche Arbeit« notwendig gewesen, sagt Kloppich. Die Vorlage sei »inhaltlich maßgeblich vom DGB bestimmt«.

Kloppich räumt freilich ein, dass die Annahme angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Landtag nicht sehr wahrscheinlich sei. Die Gewerkschaften wollen daher ihre 2012 begonnene Kampagne zu dem Thema unter dem Motto »Billig kommt teurer« fortführen und bis zur Landtagswahl im Jahr 2014 intensivieren. »Wenn sich die Koalition in der Frage nicht bewegt«, sagte Kloppich, »wird das Thema im Wahlkampf.« Vor allem die in Sachsen mitregierende FDP steht dem Thema äußerst ablehnend gegenüber.

Sachsen fast allein

Derzeit gibt es in der Bundesrepublik in elf Bundesländern Tariftreuegesetze, zwei weitere haben entsprechende Entwürfe ins Parlament eingebracht, erklärt der sächsische DGB unter Berufung auf eine Studie des Sozialwissenschaftlichen Dienstes der Hans-Böckler-Stiftung. Demnächst dürfte es damit 13 von 16 Ländern solche Regelungen geben. Zehn von ihnen treffen auch Aussagen zu einem Mindestlohn. Die Gewerkschaften sprechen von einer »regelrechten Renaissance«. Nur Bayern, Hessen und Sachsen hätten weiterhin keine derartigen Regelungen. »Die Gefahr, dass wir bald die einzigen sind«, sagt Kloppich, »ist groß.«

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