Baustelle Großprojekt

Bauwirtschaft will nicht der Buhmann sein

  • Gabriele Oertel
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Erwartungen der deutschen Bauwirtschaft für das gerade begonnene Jahr sind - rein geschäftlich gesehen - trotz aller allgemeinen Krisenstimmung positiv. Mit der Politik wie mit der öffentlichen Wahrnehmung allerdings sind Hauptverband der Bauindustrie und Zentralverband des Baugewerbes nicht so zufrieden wie mit der Entwicklung der eigenen Branche.

Es scheint, als litten die Funktionäre der Baubranche unter einem gewissen Aufmerksamkeitsdefizit. Und darunter, in Politik wie Öffentlichkeit nicht wie andere Industriesparten entsprechend Gehör zu finden. Sei es, wenn sie bei entsprechenden Gesetzesvorhaben intervenierten - sei es, wenn sie auf entsprechende Fehlentwicklungen aufmerksam machten.

Jedenfalls wird der offenbar für Bauleute schmerzliche Vergleich mit der Autoindustrie gleich zweimal in der Jahresauftaktpressekonferenz von Professor Thomas Bauer (Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindus-trie) und Dr. Hans-Hartwig Loewenstein (Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes) am Mittwoch bemüht. Bauindustrie und -gewerbe, so Loewenstein leicht resigniert, würden im Unterschied zum Automobilbau in der Politik und den Medien »nicht ausreichend wahrgenommen«. Und das, obwohl am Bau - ob nun im Wohnungs-, Wirtschafts- oder öffentlichen Bau - weitaus mehr Menschen beschäftigt würden als bei Opel, VW, Audi, Daimler, Ford oder Porsche.

Der zweite Hieb in Richtung Autoindustrie kam etwas später - und hatte mit dem leidigen, aber angesichts der Pleite am Flughafen in Berlin derzeit erneut heiß diskutierten Thema der immer teuerer, aber nie fertig werdenden baulichen Großprojekte zu tun. »Die Elbphilharmonie in Hamburg«, so Bauer, sei eben nun mal ein »reiner Prototyp« - und nicht das hunderttausendste Auto, das bei Daimler vom Band laufe und dann freilich funktioniere.

Keine Frage, die Baufunktionäre sind ob des oft unter »Pfusch am Bau« laufenden Aufschreies in der Öffentlichkeit nach dem BERDesaster ziemlich dünnhäutig geworden. »Es bereitet kein Vergnügen«, bekennt der Chef des Bauindustrieverbandes, dass die Branche so stark in den Fokus gerate, »obwohl wir es gar nicht sind«. Für die beiden Präsidenten, die beileibe nicht in Haftung für die Schuld anderer genommen werden wollen, fehlt es bei vielen gigantischen Vorhaben vor allem am notwendigen Zusammenspiel der Gewerke. Zu wenig Planungsleistung, mangelnde Koordination, nicht klar zugewiesene Kompetenzen seien verantwortlich dafür, dass so häufig Verzögerungen und Mehrkosten aufträten. »Es ist sehr einfach zu sagen, es liege an den Baufirmen, aber das Problem liegt in der Komplexität«, erklärt Bauer die wahren »Baustellen«, die beim Thema Großprojekte existieren.

Und Loewenstein ergänzt ziemlich rigoros, dass nicht selten bei Baubeginn von Großprojekten nur ein Bruchteil der Ausführungspläne vorliegen würden. »Die öffentliche Hand hat ihre Kompetenz als Bauherr permanent abgebaut«, so sein vernichtendes Urteil, das den Zusatz »chaotisch« nicht ausspart. Ganz abgesehen davon, dass - um noch einmal das sich Jahr um Jahr verzögernde Beispiel Elbphilharmonie zu bemühen - zum Schluss etwas ziemlich anderes gebaut werde, als man es sich am Anfang vorgenommen habe.


Auf einen Blick

Die deutsche Bauwirtschaft rechnet mit einem robusten Geschäft 2013. Erwartet wird, dass die Umsätze im Bauhauptgewerbe nominal um zwei Prozent zulegen und sich damit die Baukonjunktur real auf Vorjahresniveau stabilisiert. Beim Wohnungsbau wird eine Umsatzsteigerung von 3,5 Prozent erwartet, beim gewerblichen Bau ein Plus von einem, bei öffentlichen Bauten von 1,5 Prozent. Die Zahl der Beschäftigten soll nach den Erwartungen im Schnitt 2013 mit 745 000 auf dem Niveau von 2012 bleiben. Die Zahl der arbeitslosen Baufacharbeiter sank 2012 um acht Prozent auf unter 40 000. oer

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