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Orion-Kapsel mit europäischem Hinterteil

Desolate Budgetlage zwingt NASA zur Kooperation bei der bemannten Raumfahrt

  • Jacqueline Myrrhe
  • Lesedauer: 4 Min.

Es war den Managern der US-amerikanischen Raumfahrtorganisation NASA sichtlich nicht ganz wohl in ihrer neuen Rolle. William Gerstenmaier, zuständig für bemannte Exploration und Missionsbetrieb, gab das während einer gemeinsamen Pressekonferenz der NASA und der europäischen Raumfahrtagentur ESA am Mittwoch unumwunden zu. »Wir haben so ein Projekt noch nie gemacht. Es steht eine neue Herausforderung vor uns.« Die ESA soll nämlich das Servicemodul für das gegenwärtig im Bau befindliche »Orion«-Raumschiff der NASA liefern. Damit lässt die NASA erstmalig einen ausländischen Partner kritische Technologien zu einem wesentlichen Programm beisteuern und akzeptiert damit eine Abhängigkeit. Das Servicemodul soll den Antrieb und die Energieversorgung nach dem Abtrennen der Trägerrakete gewährleisten. Zudem soll es Trinkwasser, Atemluft und Temperaturregelung für die Astronauten im Mannschaftsmodul, dem NASA-Segment des Raumschiffes, bereitstellen. Der ESA-Direktor für bemannte Raumfahrt und Missionsbetrieb, Thomas Reiter, machte denn auch einen aufgeräumten Eindruck: »Die Entscheidung der NASA, mit der ESA zusammenzuarbeiten, ist ein starkes Signal des Vertrauens in die Fähigkeiten der ESA.«

In der Tat ist die ESA ihren Verpflichtungen bei internationalen Abkommen, ganz besonders bei der Raumstation, zuverlässig nachgekommen. Die bislang führenden USA haben es damit nicht immer ganz so genau genommen. Das jüngste Beispiel sind die wegen Budgetkürzungen abgesagten NASA-Beiträge für die ESA-Marsmission »ExoMars«. Auch die von der NASA in den 1990er Jahren in einer weit fortgeschrittenen Phase eingestellte Zusammenarbeit beim Projekt des Mannschaftsrettungsfahrzeugs »X-38« für die Internationale Raumstation ISS ist bei der ESA noch in lebendiger Erinnerung.

Woher schöpft die ESA die Zuversicht, dass die Kooperation für »Orion« besser laufen kann? Zum einen kooperieren NASA und ESA dieses Mal auf Augenhöhe an einem bemannten Raumflugsystem, das nicht nur für den Mannschaftstransport zur ISS, sondern auch für Flüge zum Mond oder gar zum Mars dienen kann. Ohne Service-Modul kann »Orion« nicht fliegen. NASA-Manager Gerstenmaier betonte noch einmal: »Es wird nicht einfach werden, aber wir wollen internationale Zusammenarbeit.« Freilich bleibt der NASA angesichts ihrer desolaten finanziellen Lage auch kaum etwas anderes übrig. Die durch die Beendigung des Space-Shuttle-Programms freigesetzten Finanzen reichen nicht aus, um das »Orion«-Programm im Alleingang zu schultern.

Momentan haben die USA keinen bemannten Zugang zum Weltraum. Sie kaufen Sitze auf den russischen »Sojus«-Kapseln. Parallel zu dem gestutzten »Orion«-Programm hat die NASA in den vergangenen sieben Jahren 750 Millionen US-Dollar in kommerzielle Anbieter, die große Hoffnung der Obama-Regierung, investiert. Anfangserfolge täuschen nicht darüber hinweg, dass »SpaceX« und »Orbital Science« nicht so schnell voran kommen, wie es wünschenswert wäre. Eine Erhöhung des NASA-Budgets ist angesichts der Gesamthaushaltlage der USA nahezu auszuschließen.

Damit ist die NASA an einem Wendepunkt ihrer Entwicklung angekommen. Dieser könnte sie für echte internationale Kooperation öffnen. So war denn der Grundtenor der Pressekonferenz in dieser Woche immer wieder die internationale Zusammenarbeit. Bemannte Marsmissionen sollten als internationale Projekte durchgeführt werden. Sowohl Gerstenmaier als auch Reiter verwiesen auf das Erfolgsmodell ISS. Gerstenmaier erwähnte das Zwischenstaatliche Regierungsabkommen zur ISS: »Ohne es zu wissen, haben die Autoren des ISS-Rahmenvertrages das Dokument nicht nur für die direkten Belange der ISS formuliert, sondern auch in kluger Voraussicht für die weitere Weltraumerkundung. Das ist die Basis für die jetzt startende Kooperation.« Reiter stimmte dem zu: »Das ISS-Programm hat der ESA die Gelegenheit gegeben, sich als ernst zu nehmender Partner zu positionieren. Besonders das »ATV«, das Transportraumschiff für die ISS, dient der kontinuierlichen Versorgung der Station. Unser Servicemodul für Orion bringt Vorteile für beide Seiten.«

Technisch wird das künftige »Orion«-Servicemodul auf dem Antriebssegment des unbemannten ESA-Transporters »ATV« aufbauen und somit der europäischen Industrie, speziell in Deutschland, Folgeaufträge nach der Beendigung des ATV-Programms für 2014/2015 sichern. Auf der anderen Seite kann Europa durch die Beteiligung an Raumflügen zum Mond, und möglichst darüber hinaus, viel lernen.

Die Frage, ob die Lieferung des Servicemoduls sich auch als Ticket eines europäischen Astronauten für einen Flug zum Mond auszahlen wird, beantwortete Reiter ausweichend: »Wir müssen das beraten. Momentan konzentrieren wir uns auf die technischen und programmatischen Aspekte des Projektes.«

Spätestens zum Ende dieser Dekade, wenn die ersten Flüge für »Orion« geplant sind, wird sich herausstellen, ob es dieses Mal tatsächlich zum »Happy End« für alle Partner kommt.

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