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War Brecht böse?

Joachim A. Lang / Der Filmregisseur ist künstlerischer Leiter des BrechtFestivals Augsburg

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Herr Lang, zum 4. Male findet in Augsburg das Brecht-Festival statt, ab heute, bis 10. Februar: Inszenierungen, Lesungen, Musik, Diskussion. Hochkarätig alles.
Lang: Johanna Schall inszeniert zum Beispiel eine Welturaufführung, Brechts erstes Drama »Die Bibel.«

Der junge Dichter und Augsburg - die Stadt zeigt die Schätze ihrer Brecht-Sammlung. Da heißt es: »Und dort im Lichte steht Bert Brecht: Rein. Sachlich. Böse.« Sind junge Dichter die böseren Dichter?
Brecht war sein Leben lang böse. Aber böse als Synonym für heitersten, angriffslustigen Eigensinn.

Jugend ist kräftiger in ihren Behauptungen - noch hat Erfahrung nicht geknetet, gar gehäckselt.
Unbequem blieb Brecht immer. Eine Haltung, die in Auseinandersetzungen mit seiner Heimatstadt ihre frühe Ausbildung erfuhr. In Augsburg wurde er mit seinem Hass auf den Hurra-Patriotismus fast von der Schule geworfen.

Liebt die Stadt ihren Sohn?
Augsburg ist auf dem Wege zu Brecht, das Festival ist auf dem Weg hin zu Augsburg.

Sie sprechen von der »Stadtgesellschaft«.
Ja, Künstler, Kulturschaffende, Wissenschaftler Augsburgs bilden eine wichtige Säule. Nun öffnet sich uns auch das Theater der Stadt, mit eigenen Inszenierungen und Veranstaltungen. Und Thomas Thieme, prägender deutscher Schauspieler, inszeniert alle fünf Fassungen von »Baal«.

Fünf Fassungen eines Stückes - was erzählt das über Brecht?
Er nannte seine Stücke »Versuche«. Von ihm stammt der Satz: »Ich vergesse meine Anschauungen immer wieder; kann mich nicht entschließen, sie auswendig zu lernen.« Dieser Satz erzählt einen Dichter, der neugierig und listig allen Festlegungen entfloh.

»In mir habt ihr einen, auf den könnt ihr nicht bauen.« B. B.
Ja, und ich bin sehr froh, dass der Kalte Krieg mit seinen Betonierungen vorbei ist. Brecht wurde zur linken Ikone erhoben - und war doch im Denken das große Gegenteil zu Einheit und Geschlossenheit. Er war ein Dichter des Zweifels und der Gewissheit, dass das Sichere nicht sicher ist.

»Das Chaos ist aufgebraucht. Es war die beste Zeit.« Was denken Sie über diesen Brecht-Satz?
Eines meiner Lieblingszitate. Das Chaos wird nie aufgebraucht sein.

Was ist es?
Das Unvorhersehbare. Das nicht klar Definierbare. Das Spielerische. Das Aufeinandertreffen zweier Kräfte, und etwas Drittes entsteht. Das Chaos ist das, was jeder beflissen bewahrter Ordnung stets zuwiderläuft und daher so nötig bleibt.

Es singt beim Festival auch der Augsburger »Bürgerchor«. Was verbirgt sich dahinter?
Das ist ein Zusammenschluss aus Chören der Stadt, er wird zur Eröffnung heute auch das Lied von der Einheitsfront singen. Darin heißt es: »Reih dich ein in die Arbeitereinheitsfront.«

»... weil du auch ein Arbeiter bist«. Historie! Wer ist heute damit gemeint?
Der Chor singt konkret: »... weil du auch ein Augsburger bist«.

Interview: Hans-Dieter Schütt

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