Facebook ist etwas für Omas

Das soziale Netzwerk wird unter Jugendlichen in Schweden unbeliebt

  • André Anwar, Stockholm
  • Lesedauer: 3 Min.
Schweden ist ein Land der Internetavantgarde. Facebook passt da nicht mehr in den Zeitgeist der Jugend.

Facebook ist mit einer Milliarden aktiven Nutzern eine der meist besuchten Internetseiten der Welt. Dennoch bekommt die Erfolgsgeschichte der sozialen Internetplattform erste Risse. Ausgerechnet in Schweden, dem Land der Internetpioniere und der neuen Medientrends in Europa, verliert das US-Unternehmen zunehmend an Rückhalt im jungen und trendbewussten Publikum.

Laut dem Marktforschungsinstitut Socialbakers verliert Facebook in der Altersgruppe der 13- bis 15-Jährigen deutlich. Wenn Facebook in Schweden insgesamt dennoch weiter wächst, dann liegt das an der Altersgruppe, die im digitalen Zeitalter bereits als Senioren gelten, bei den 45- bis 65-Jährigen.

Bei den Jugendlichen hat Facebook heute den Status eines Besuchs bei einer unbeliebten alten Tante. »Man loggt sich da vielleicht einmal im Jahr zum Geburtstag ein, um zu sehen, wer gratuliert hat«, sagt die Schülerin Hilma Treijs gegenüber dem »Svenska Dagbladet«. »Meine Großmutter bittet mich darum, bestimmte Bilder, die sie auf ihr Facebook-Profil gelegt hat, mit ›ich mag‹ zu kommentieren«, sagt Hilma. »Das sind so Bilder von mir und Blumen im Hintergrund.« Die 20-jährige Felicia benutzt Facebook gar nicht mehr. »Eine Freundin hat mir mit 15 ein Konto eingerichtet, aber ich schicke lieber E-Mails, SMS und telefoniere. Meinen Großeltern schreibe ich richtige Briefe«, sagt Felicia. Das habe auch mit dem Schutz ihres Privatlebens vor neugierigen Blicken zu tun. »Ich lehne mich auch nicht gern aus dem Fenster«, sagt sie amüsiert. Auch die 20-jährige Schauspielstudentin Elsa Rossing ist nicht mehr bei Facebook. »Ich war kurz dabei von 15 bis 17. Das war nichts für mich. Ich brauche einfach nicht noch mehr Anregungen«, sagt sie. »Ich bin auch nicht so gern ständig erreichbar«, sagt sie dieser Zeitung.

Dabei ist die gleiche Generation immer noch viele Stunden am Tag in anderen sozialen Netzwerken engagiert, über Smartphone, Tablet und Netbook. Populär ist derzeit etwa Kik. Auf das Smartphone geladen, gründen Jugendliche damit ihre kleinen, exklusiven Freundesgruppen. Mit Kik können sie sich Nachrichten, Bilder und Kommentare schicken, ohne dass wie bei Facebook die halbe Welt mitlesen kann. Auch der Bildnachrichtendienst Snapchat und das Mikrokommentarbuch Tumblr sind bei vielen jungen Schweden populärer. Besonders treu sind die jungen Schweden ihren jeweiligen Netzwerken nicht. »In dem Bereich passiert ja die ganze Zeit total viel«, sagt Hilma. »Wer weiß, was das nächste große Ding sein wird?«

Niclas Strandh, digitaler Stratege der schwedischen Werbeagentur United Power, ist über das abnehmende Interesse an Facebook nicht überrascht. »Damit haben wir gerechnet. Die Jugendlichen haben einfach ganz andere soziale Spielwiesen in Internet gefunden«, sagt er gegenüber dem »Svenska Dagbladet«. Jungen seien eher in der Welt der Internetspiele zu finden, Mädchen in Internetblogs etwa für Modethemen. »Wir werden in Zukunft immer schmalere Kommunikationsnischen im Internet erleben«, so Strandh. Facebook werde aber auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, glaubt er. Der Kauf des Bilddienstes Instagram, der bei den Jugendlichen derzeit angesagt ist, sei ein kluger Schachzug gewesen.

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