Sozialverbände nennen Armutsbericht »peinliche Hofberichterstattung«

Ministerin von der Leyen weist Kritik als »Legendenbildung« zurück / CDU-Wirtschaftsrat warnt vor »rot-grünen Klassenkampf-Instrumenten«

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Berlin (nd). Die Bundesregierung hat den umstrittenen Armutsbericht gebilligt. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen verteidigte das Werk gegen den Vorwurf, darin seien Passagen geschönt worden. Bei diesem Thema habe es »viel Legendenbildung« gegeben, sagte die CDU-Politikerin. Der Bericht zeige nun einmal, dass sich in den vergangenen Jahren vieles verbessert habe. Darüber könne sie nicht den Schleier legen. Auch die Vizevorsitzende der Unionsfraktion, Ingrid Fischbach, wehrte sich gegen die massive Kritik. »Insgesamt belegt der Bericht eine positive Entwicklung der Lebenslagen in Deutschland, vor allem auf dem Arbeitsmarkt«, sagte die CDU-Bundestagsabgeordnete.

Derweil sprachen Sozialverbände und Gewerkschaften abermals von einem »lächerlichen Possenspiel«. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider, sagte, dem bereits im September vergangenen Jahres vorgelegten Bericht seien »durch den FDP-Vorsitzenden Rösler sämtliche Zähne gezogen« worden. Übrig sei »ist im Wesentlichen peinliche Hofberichterstattung« geblieben, »mit der die Maßnahmen der Bundesregierung wahlkampftauglich in ein möglichst gutes Licht gerückt werden sollen«.

Wie die »Süddeutsche Zeitung« schreibt, bleibe der Bericht auch in der endgültigen Fassung auf Druck von FDP-Vizekanzler Philipp Rösler geglättet. So sei die Aussage »die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt« in der Endfassung nicht mehr enthalten; das gleiche gelte für den Hinweis darauf, dass 2010 mehr als vier Millionen Menschen für einen Bruttostundenlohn von unter sieben Euro arbeiten mussten.

Die Bundesregierung »mache sich die Welt, wie sie ihr gefällt«, kritisierte die Vorsitzende der Linken, Katja Kipping, die von einem »Ausdruck blanken Zynismus›‹« sprach. Die Koalition könne zwar »das wachsende Empfinden über die zunehmende Ungerechtigkeit« aus dem Bericht streichen, »aber es ist vorhanden und wird bei der Bundestagswahl am 22. September dazu führen, dass diese schwarz-gelbe Regierung, deren Programm es ist, die Reichen reicher und die Armen ärmer zu machen, abgewählt wird«. Auch die SPD kritisierte das Vorgehen der schwarz-gelben Regierung. Generalsekretärin Andrea Nahles nannte den Bericht »eine plumpe Fälschung«.

Derweil machte der Vorsitzende der Gewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, auch die rot-grüne Bundesregierung für die soziale Lage mitverantwortlich. »Was in diesem Bericht zu besichtigen ist, sind die Folgen einer umfassenden Deregulierungspolitik auf den Finanzmärkten und auf dem Arbeitsmarkt. Und das war die Politik des letzten Jahrzehnts, begonnen mit der Agenda 2010«, sagte Bsirske der »Leipziger Volkszeitung«.

Der Präsident des deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, zeigte sich im Nachrichtensender Phoenix »entsetzt über die Art und Weise, wie dieser Armuts- und Reichtumsbericht veröffentlicht wird«. Die »Dramatik, mit der er auf die Armuts- und Reichtumssituation in unserem Land hinweist, verpufft damit«, warnte Neher. Der Präsident des Sozialverband SoVD Adolf Bauer sagte, der Bericht zeige »trotz Schönfärberei: Niedriglöhne, prekäre Beschäftigung und ein deutlicher Anstieg der Armutsgefährdungsquote sind alarmierende Signale«. Die Regierung müsse »jetzt die Fakten ernst nehmen und handeln«.

Der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, wies die Kritik zurück. Es sei das Verdienst von Wirtschaftsminister Rösler, dass der nun dem Kabinett vorliegende Armuts- und Reichtumsbericht einige Zerrbilder der Vorversion nicht mehr enthalte, so Steiger. Man dürfe »nicht zulassen, dass Rot und Grün die alten Klassenkampf-Instrumente aus der Mottenkiste hervorkramen«.

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