»Der Rückgang ist nicht völlig auszugleichen«

Thüringens Justizminister Poppenhäger zur Regionalpolitik und Folgen gekürzter Mittel für den Freistaat

  • Lesedauer: 3 Min.
Die EU will die Mittel für die Regionalpolitik kürzen, wogegen vermutlich das EU-Parlament votierenm wird. Holger Poppenhäger (SPD) ist Justizminister Thüringens und Vorsitzender der deutschen Delegation im Ausschuss der Regionen (AdR) bei der EU. Mit ihm sprach für »nd« Uwe Sattler.

nd: Das EU-Parlament wird sich voraussichtlich gegen den Vorschlag zum Finanzrahmen 2014-2020 aussprechen - auch wegen der Kürzung der Mittel für die Regionalpolitik. Teilen Sie die Kritik?
Poppenhäger: Die Kritik betrifft verschiedene Aspekte dieses Entwurfs. Er soll nach dem Vorschlag der Kommission nicht nur schrumpfen, sondern er ist auch nicht vollständig gegenfinanziert. Das kritisiert das Parlament zu Recht - und das widerspricht auch der Beschlusslage im Ausschuss der Regionen, in dem ich als Mitglied für den Freistaat Thüringen sitze. Wir haben als AdR sogar eine höhere Haushaltssteigerung als das Europäische Parlament verlangt, nämlich 1,14 Prozent des Bruttonationaleinkommens. Allerdings haben wir als AdR auch festgestellt, dass es sich zu 94 Prozent um einen investiven Haushalt handelt und die Verwaltungsausgaben extrem niedrig sind. In jedem Falle sollten die Haushaltsmittel für die Regional- bzw. Kohäsionspolitik nicht unter das reale Niveau der Förderperiode 2007 - 2013 fallen. Jeder der hier an den Beiträgen der Nationalstaaten sparen will muss wissen, dass dies negative Auswirkungen auf die Regionalförderung für Ostdeutschland haben wird.

Welche Folgen haben die geplanten Umverteilungen der Strukturmittel in Richtung Osteuropa für das Land Thüringen?
Der AdR hat in einem Beschluss davor gewarnt, dass zu weit gehende Kürzungen gerade bei den Kohäsionsmitteln die Wachstumsaussichten und den Wirtschaftsaufschwung beeinträchtigen können. Sehr viele der öffentlichen Investitionen hängen von den Strukturfonds der EU ab, in 13 Mitgliedstaaten sind es mehr als 30 Prozent, in 6 Mitgliedstaaten sogar mehr als 60 Prozent. Im Übrigen unterstützt der AdR den Vorschlag, bei der Regionalförderung eine neue Kategorie von Übergangsregionen einzurichten. Davon werden, neben Thüringen, auch alle neuen Länder profitieren, ebenso wie für die angedachte Einrichtung eines sogenannten »Sicherheitsnetzes« für die Regionen, die nicht mehr »Ziel-1« Gebiet sein werden.

Kann das Land künftig ausbleibende Mittel kompensieren?
Nein. Die geplanten Kürzungen wurden zwar im Rahmen des Möglichen bei der Aufstellung des Thüringer Doppelhaushalts sowie im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung ab 2015 berücksichtigt, aber völlig auszugleichen ist der Rückgang nicht.

Die Verteilung der Mittel für die Struktur- und Regionalpolitik ist immer wieder Streitpunkt.
Streit ist an sich nichts Schlechtes, man kann auch unter Freunden um die besten Lösungen streiten. Aber es sollte nicht geschachert werden. Das schadet der europäischen Sache. Grundsätzlich ist allerdings der besondere Bedarf der mittel- und osteuropäischen Länder anerkannt, ebenso der Mitgliedstaaten mit besonderen Haushaltsschwierigkeiten.

Die Kriterien für die Förderfähigkeit machen sich allein an »nackten Zahlen« fest.
Zahlen haben schon eine hohe Aussagekraft. Es kommt allerdings darauf an, welche man bei solchen Bewertungen hinzuzieht und welche man lieber weglässt. Deshalb darf man bei der Betrachtung der neuen Länder auch nicht nur einseitig die gesunkene Arbeitslosigkeit hervorheben, sondern muss auch noch vorhandenen Defizite, etwa bei der Infrastruktur, berücksichtigen. Dafür trete ich ein.

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