EU soll Bienensterben stoppen

Gegenvorschlag zum Pestizidverbot will Einzelstaaten entscheiden lassen

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 2 Min.
Der Ständige Ausschusses für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit der EU will heute erneut über den Einsatz von drei Insektiziden in der Landwirtschaft entscheiden. Imkerorganisationen demonstrierten in Brüssel für ein Verbot.

Im Februar hatte die EU-Kommission eine Abstimmung über das Verbot sogenannter Neonikotinoide verschoben. Ungarn, Spanien, Litauen, Tschechien. Deutschland und Österreich hatten sich quergestellt.

Neonikotinoide sind Beizmittel, mit denen Saatgut behandelt wird, um Spritzmittel zu vermeiden. Deren Einsatz soll nach Ansicht von Imkern den Orientierungssinn der Bienen stören, sie finden nicht mehr in ihre Bienenstöcke zurück.

Gestützt wird diese These durch eine im Januar veröffentlichte Studie der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Im Verdacht stehen Insektizide von Bayer und dem Syngenta-Konzern. Untersucht wurden die kurz- und langfristigen Folgen selbst nicht-tödlicher Mengen des Gifts für Bienenvölker. Trotz zahlreicher Datenlücken sei eine ganze Reihe von Risiken festgestellt worden, teilte die Behörde mit. Die EFSA - bisher eher für ihre Industrienähe bekannt - warnt ausdrücklich vor den Gefahren für Bienen durch die drei Insektizide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam.

Syngenta und Bayer reagierten ablehnend. Syngenta-Geschäftsführer Theo Jachmann kritisierte, die EU-Behörde beziehe sich auf »rein theoretisch vorhandene Risiken«. Eigene Ergebnisse zeigten, dass die Technologie bei korrekter Beachtung der Vorschriften pro-blemlos eingesetzt werden könne. Bayer forderte lapidar in einer Erklärung, es sei sicherzustellen, »dass Landwirte in Europa weiterhin Zugang zu Neonikotinoiden haben«.

Unterstützt werden die Konzerne von der Agrarindustrie und dem Verband der Saatguthersteller, ESA. Sie stützen sich auf eine Studie des Humboldt-Forums für Ernährung und Landwirtschaft, die von Bayer und Syngenta finanziert wurde. Demnach drohen in der EU bei einem Verbot Verluste von 17 Milliarden Euro in den kommenden fünf Jahren.

Das Mittel Clothianidin wurde bereits 2008 kurzzeitig verboten. In der Region Oberrhein in Baden-Württemberg war die Maissaat mit einem Beizmittel gegen den Maiswurzelbohrer behandelt worden, das den gefährlichen Wirkstoff enthielt. Die Körner wurden nicht richtig mit Erde bedeckt. So gelangte das Mittel ins Regenwasser und auf blühende Pflanzen. Die Bienen vergifteten sich an Pollen und am Wasser - rund 11 000 Bienenvölker starben. Clothianidin - in Deutschland unter dem Namen Poncho zugelassen - wurde jedoch schon nach kurzer Zeit wieder erlaubt.

Laut Medienberichten kursiert in Brüssel ein Alternativvorschlag: Behörden sollen die Insektizide auf nationaler Ebene bis Ende August 2016 weiter zulassen können, wenn sie meinen, dass durch Anwendungsauflagen und Kontrollen »inakzeptable« Risiken für Bienen vermieden werden.

Dabei geht es nicht nur um Honig. »Fakt ist, dass rund 100 Nutzpflanzen für 90 Prozent der Nahrungsmittelversorgung der Welt maßgeblich sind«, sagt der Direktor der UN-Umweltbehörde UNEP, Achim Steiner. »Mehr als 70 Prozent davon sind auf die Bestäubung von Bienen angewiesen.«

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