»Das Finanzkapital dient der Realwirtschaft«

Aufklärung über populäre Irrtürmer der Krisendebatte gibt es täglich in einer neuen nd-Serie

  • Lesedauer: 3 Min.

Nicht erst seit der Finanzkrise stehen Banken und Finanzmärkte im Fokus der politischen Debatte – und am Pranger. Nun sollen die Banken zahlen, fordern die einen. Das sei eine große Gefahr, warnen die anderen. Denn vom Wohl der Banken hänge die ganze Wirtschaft ab. Wer hat recht? Sind Banker wirklich gierig? Und woher kommt die Abhängigkeit von den ominösen „Märkten“? Ein Autorenkollektiv der Rosa-Luxemburg-Stiftung hat sich die gängigen Irrtümer über Banken, Börse und Kredit vorgenommen - und zeigt, dass nicht allein von Macht und Größe der Finanzmärkte alle Übel des Kapitalismus ausgehen. Klarheit statt Mythen: hier täglich in einer nd-Reihe.

»Das Finanzkapital dient der Realwirtschaft«

Was gesagt wird:

Aufgabe der Banken ist es, die Ersparnisse der Gesellschaft einzusammeln und das Geld – als Kredit – an jene zu vergeben, die es gerade brauchen. Mit der Kreditvergabe fließt das Geld an Unternehmen, also in den Produktionsprozess. Die Bank schafft damit mittelbar echte Werte. Deswegen brauchen »marktwirtschaftlich organisierte Wirtschaftssysteme gut funktionierende Finanzmärkte, die dafür sorgen, dass knappes Kapital zum Nutzen der Realwirtschaft und damit der Gesellschaft eingesetzt wird«. Realwirtschaft, das sind die Unternehmen, die reale Güter produzieren und Dienstleistungen anbieten.

Was dran ist:

Tatsächlich geben Banken Unternehmen Kredit, damit diese ihr Geschäft am Laufen halten und ausweiten können. Das macht Banken aber nicht zum »Diener« der Realwirtschaft. Warum nicht?

Eine Bank verleiht Geld (G) und erhält damit einen Rechtsanspruch auf Rückzahlung plus Zins, also auf mehr Geld (G’). Beispiel: Sie verleiht 1.000 Euro zu zehn Prozent Zins, hat also Anspruch auf 1.100 Euro. Allein durch dieses Rechtsverhältnis (der Schuldner muss den Kredit inklusive Zinsen zurückzahlen) macht sie für sich Geld zu Kapital – Geld, das mehr Geld wird. Der rechtliche Anspruch der Bank auf Rückzahlung besteht unabhängig davon, ob es dem Unternehmen ökonomisch gelingt, mit dem Kredit seinen Gewinn zu erhöhen. Auch wenn der Betrieb rote Zahlen schreibt, muss er an die Bank zahlen. Die Bank nimmt also nicht unmittelbar an der Wertschöpfung teil, sondern sichert sich im Voraus einen rechtlich garantierten Anteil an künftigen Einnahmen des Unternehmens. Mit dem ökonomischen Vorgang der Wertschöpfung hat sie nichts zu tun. Die Bank selbst produziert nichts, sondern lässt produzieren. Im Gegenzug muss das Unternehmen dafür sorgen, dass sein Gewinn steigt. Denn sonst kann es den Kredit plus Zins nicht zurückzahlen.

Für die Rolle des Dieners ist die Bank also viel zu mächtig und anspruchsvoll. Ihre Kredite sind nicht bloß ein Instrument des Unternehmens zur Profitproduktion, sondern gleichzeitig Ansprüche der Bank, die die produzierenden Unternehmen bedienen müssen. Ob sie Profit produzieren oder nicht, die Bank will an ihnen verdienen. Ähnliches gilt für den Kredit an private Haushalte. Beispiel Hypothekenkredite: Mit dem Kredit kann der Kreditnehmer ein Haus erwerben. Verliert er jedoch seinen Job und kann die Zinsen nicht bedienen, fällt sein Haus an die Bank. Sein Recht auf Wohnraum steht zurück hinter dem Anspruch der Bank auf Zinszahlungen.

Die von einem Autorenkollektiv verfasste Broschüre »Von wegen Casino« ist in der Reihe »luxemburg argumente« erschienen und kann bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung bestellt werden.

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